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In Wien auf Touren gekommen

PORTRÄT: Wiens Start-up-Szene boomt, die hellen Köpfe fliegen auf Wien. Stellvertretend dafür steht ein millionenschweres austro-australisches Reiseportal. Text: Andreas Terler, Fotos: Kurt Pinter

In Wien auf Touren gekommen

Schuld war ja eigentlich die Liebe. Gegründet wurde das Start-up Tourradar nämlich 2010 im australischen Bris­bane von den Brüdern Travis und Shawn Pittman. Tourradar ist ein Onlineportal, auf dem man mehrtägige Gruppenreisen vergleichen und buchen kann. Ein Nischenprodukt, das zum vollen Erfolg wurde. 2013 übersiedelte das Unternehmen nach Wien. „Der Hauptgrund war die Frau von Travis, die Österreicherin ist“, erzählt Nicholas Trieb, COO, also Leiter des operativen Geschäfts. Die Liebe war ein guter Kompass. 2018 brachte die dritte Finanzierungsrunde Tourradar 50 Millionen US-Dollar ein. Es war das größte Investment in ein Start-up in Österreich im Jahr 2018.

Die Angel-­Investment-­Szene und Förderungen für Start-ups sind ein ­Vorteil in ­Österreich.

Nicholas Trieb, Tourradar

Das hatte sich beim Start in Wien noch nicht angekündigt. Trieb, der vor seinem Engagement bei Tourradar selbst das Unternehmen Tripwolf – eine Reiseführer-App – gegründet hatte, erinnert sich: „Wir haben an andere Leute und Firmen untervermietet. Travis war einer davon. Damals war er noch allein, hat dringend Geld gebraucht und kurzfristig bei uns gearbeitet.“ Trieb, der in Wien geboren, aber in den USA aufgewachsen ist, verkaufte Tripwolf und machte mit Pittman gemeinsame Sache. „Ein wichtiger Grund für unsere positive Entwicklung war die Finanzierung in Wien.“ Mehrere Business Angels konnte Tourradar für sich gewinnen. Dazu stieg auch der Venture-Capital-Fonds Speedinvest früh ein. „Die Angel-Investment-Szene und die Förderungen für Start-ups hier sind sehr hilfreich. Das ist ein Vorteil in Österreich“, findet Trieb. keyboard_arrow_right

Start-ups werden nicht zu uns kommen, wenn die Talente nicht hier sind und wenn die Forschung nicht gefördert wird.

Oliver Csendes, CEO von Pioneers

keyboard_arrow_rightTourradar steht an der Spitze der Liste von Start-ups aus Österreich, in die im vergangenen Jahr mehrere Millionen Euro investiert worden sind. Laut „Start-up-Barometer“ von Ernst & Young stieg die Zahl der Finanzierungsrunden in Österreich 2018 im Vergleich zu 2017 von 35 auf 71. Allein in Wien hat sich die Zahl von 23 auf 43 fast verdoppelt. Die Gesamtvolumen der Deals stiegen landesweit von 137 auf 173 Millionen Euro an. Im europaweiten Vergleich liegt Österreich damit auf Platz 15.
Auch dort, wo die Szene in Österreich jedes Jahr zusammenkommt, fällt die positive Entwicklung der heimischen Start-up-Szene auf. „Sowohl die Anzahl als auch die Qualität der Bewerbungen ist in den letzten Jahren gestiegen“, sagt Oliver Csendes, CEO und Veranstalter des Pio­neers-Festivals, das ausgewählte internationale Start-ups, Investoren und Unternehmer in der Wiener Hofburg zusammenbringt. „Österreich hat wahnsinnig viel zu bieten, aber egal wie oft Wien noch zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt wird, Start-ups werden nicht zu uns kommen, wenn die Talente nicht hier sind und wenn die Forschung nicht gefördert wird“, stellt Csendes klar.

Welche finanziellen Anreize es in Österreich benötigen würde, um für Start-ups noch attraktiver zu werden? „Wir brauchen Risikokapital, und zwar für alle Phasen, nicht nur für frühe“, sagt der 38-Jährige. Der Löwenanteil der 50 Millionen Dollar für Tourradar kamen aus dem Silicon Valley vom US-amerikanischen Investor TCV (Technology Crossover Ventures), der bereits in Netflix, Facebook und Spotify investiert hat. Dadurch konnte das Unternehmen personell stark wachsen.


Über 100 neue Mitarbeiter zogen im vergangenen Jahr ins Tourradar-Büro am Wiener Kärntner Ring bzw. an die weiteren beiden Standorte in Brisbane und Toronto ein. Der Fokus der Plattform lag bislang auf dem englischsprachigen Markt, vor allem auf den USA und Australien. Die Internationalisierung steht daher ganz oben auf der Agenda, unter anderem nennt Nicholas Trieb die Erschließung des deutschsprachigen Markts als bevorstehenden, wichtigen Schritt: „Aus Österreich buchen bis jetzt nämlich nur unsere Mitarbeiter im Customer Support.“

ZUR PERSON Nicholas Trieb ist gebürtiger Wiener und in Österreich, Costa Rica und den USA aufgewachsen. Mit Tripwolf hat er sein eigenes Start-up gegründet, nun ist er seit über fünfeinhalb Jahren bei ­Tourradar.

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