Sicherheit und Beständigkeit – diese Ziele waren vor zwei Jahren noch eher verpönt. Mit der Pandemie hat sich das geändert. „Das Traditionelle kommt wieder, das gemeinsame Leben als Großfamilie ist wieder eine Sehnsucht“, ist Sabine Senemann überzeugt, „auch, weil es wirtschaftlich und ökologisch sinnvoller ist“.

Sabine Senemann weiß, wovon sie spricht. Sie lebt gemeinsam mit ihrem Mann Thomas, ihren Eltern, Sohn und Schwiegertochter unter einem Dach. Tochter Marie ist häufig da, Enkelin Maja noch viel öfter. Vor Kurzem lebte hier außerdem noch ein Onkel, den Sabine Senemann bis zu seinem Tod zu Hause gepflegt hat. „Er ist in dem Raum gestorben, in dem er auch geboren wurde“, erzählt die Hausherrin. Sie weiß, dass nicht jeder für dieses intensive Miteinander geschaffen ist. „Aber wir sind der Beweis dafür, dass es funktionieren kann“, sagt sie und ergänzt: „Das Konfliktpotenzial muss man aushalten können, mit Toleranz und Wertschätzung geht das aber ganz gut.“ Die Senemanns sind als Familie langsam gewachsen, zusammengewachsen, ohne sich gegenseitig zu ersticken. Auf ähnliche Art entstand auch ihr Haus. Das ist kein Projekt vom Reißbrett, das sich faktisch selbst erklärt.

"Wir haben lange überlegt"

Generell lag der Fokus bei diesem Projekt auf Nachhaltigkeit, energietechnisch und bei der Auswahl der Materialien, beim Gebäude und beim Inventar. 2004 begann die Planung mithilfe eines Architekturstudenten aus dem Freundeskreis. Die wichtigste Vorgabe dabei? „Viel Raum, Licht und Luft, und dass man den Garten gewissermaßen ins Haus hineinholt“, sagt die Hausherrin. 2006 war Baubeginn. Die Umsetzung brauchte insgesamt zehn Jahre.
Viel von dem Projekt war Eigenleistung: Die familieneigene Tischlerei, die bis hin zum Fenster- und Portalbau alles aus einer Hand liefert, und das Fachwissen von Sabine und Thomas Senemann waren dabei die ideale Kombination. „Mein Mann und ich haben uns bei der Ausbildung zur Einrichtungsberatung kennengelernt, er als Tischler, ich als Quereinsteigerin. Wir haben uns beide immer schon für barrierefreies Bauen und Wohnen interessiert“, erzählt die Hausherrin, die auch als Mentaltrainerin arbeitet. In ihrem Haus wurde folgerichtig von Planungsbeginn an immer ein Lift mit angedacht. „Der Schacht ist da, man müsste den Lift nur noch hineinstellen.“

Holz, Naturstein, Licht und Luft

Wes Geistes Kind die Bewohner sind, zeigt sich an unzähligen Details: Im Gemeinschaftsraum mit Natursteinboden steht ein 4,5 Meter langer Nussholztisch aus der eigenen Werkstatt vor einem Kachelofen aus Tuffstein. Neben neuen Schränken steht renoviertes Mobiliar. Die geschwungene Treppe, die in die oberen Etagen führt, ist Tischlerarbeit aus Eiche. Das Holzgeländer wird auf der Galerie zum Funktionsmöbel mit Bücherregalen. Der Handlauf mutiert hier zur kommoden Ablagefläche für eine Stehpartie mit Gästen, wenn es im Entrée zwischen Tafel und Billardtisch einmal zu eng werden sollte. Die Senemanns hatten vor Corona oft ein volles Haus – und sie wünschen sich, dass es bald wieder so ist.

Mehr als eine Funktion hat auch das Elternschlafzimmer: Es ist eine eigene kleine Wohnwelt, die auch zum Tagträumen einlädt. Zwei Stufen und zwei Schiebetüren (zwischen denen ein kleiner Vorraum entsteht) trennen den Rückzugsbereich vom übrigen offenen Haus. Im Bett und in einer Wand steckt Zirbenholz, dem man ja eine entspannende, schlaffördernde Wirkung nachsagt. Weil es der Familie optisch aber nicht gefällt, wurde es beim Bett mit schwarz-brauner Mooreiche und an der Wand mit Steinplatten kaschiert. Das Badezimmer bietet mit rundum laufenden Einbaumöbeln jede Menge Stauraum, und die Sauna ist gleichzeitig eine gewärmte Duschkabine mit Sitzbank, auf der sich beispielsweise eine Damenrunde zur geselligen Maniküre treffen kann: Die Dusche wurde einfach in die verflieste Sauna eingebaut – „und das funktioniert gut“.

Mein, Dein - Unseres

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Das Stockwerk darüber gehört den Kindern. Lukas, der 26-jährige Sohn des Hauses, hat sich hier mit seiner Freundin Christina eingerichtet. Aber so genau ist das hier nicht mit dem „Mein“ und „Dein“. Das Wohnzimmer der Jungen ist nämlich „Kino“ für alle. „Sie werden in diesem Haus keine Fernsehgeräte finden, stattdessen haben wir einen Beamer-Raum für die ganze Familie“, sagt Lukas. Und dann wäre da auch noch die Dachterrasse mit Whirlpool und Feuerstelle, die man sich gern mit allen anderen teilt. Der Dachgarten ist auch der bewusste Versuch, ein wenig von der durch das Bauen versiegelten Fläche wieder grün zu machen.
Wie wichtig der Naturraum der Familie ist, zeigt sich aber ohnehin schon zu ebener Erd: Was vor dem Umbau großteils verpachteter Acker war, ist heute ein Paradies voller blühender und grüner Nischen. Hier wird naturnah gegärtnert – und im renovierten alten Bauernhäuschen auf dem Grundstück hat Sabine Senemann ihr Töpferatelier.