Es sind Zahlen, die Stoff zum Schüren einer Neiddebatte hergeben: Bei wem welche Coronahilfen über 100.000 Euro auf dem Konto gelandet sind, ist seit Kurzem in der Transparenz-Datenbank der EU-Kommission ersichtlich. Insbesondere die Förderungen in der Hotellerie im ersten Pandemiejahr nahm das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut unter die Lupe und löste mit seiner Momentaufnahme des ersten Pandemiejahres 2020 eine Welle von Reaktionen aus. Denn bei den Bilanzauswertungen von 502 geförderten Hotel- und Gastro-Unternehmen machten Momentum zufolge 367 Betriebe einen Gewinn, davon mehr als die Hälfte sogar mehr Gewinn als 2019. 106 Millionen Euro an Cofag-Zuschüssen waren in die Unternehmen geflossen. Für Momentum ein klarer Fall von massiver Überförderung und ein Anlass, eine Sondersteuer zu fordern.

"Betrachtung ist mir zu kurz gedacht“

Ökonomen, die Präsidentin der Hoteliervereinigung und der Kreditschutzverband kalmieren allerdings und grenzen das Problem Überförderung klar ein: Vor allem im November und Dezember 2020 hätte es mit Hilfen sehr schnell gehen müssen. Das Design des damaligen Umsatzersatzes sei unglücklich gewesen, aber auch umgehend repariert worden.

„Für mich ist die Momentum-Betrachtung zu kurz gedacht,“ sagt Michaela Reitterer, in wenigen Tagen scheidende Präsidentin des Österreichischen Hotelierverbandes (ÖHV). „Man wollte damals schnell helfen, weil wir ja mit vollen Kühlhäusern geschlossen wurden.“ Dass es Hotels gab, die beachtliche Hilfssummen bekamen, stellt sie gar nicht in Abrede: „Ja, es gab einige, die den vollen Umsatzersatz bekommen haben, obwohl es ihnen gut gegangen ist,“ so Reitterer, „deshalb hat man dann sofort den Ausfallsbonus erfunden, bei dem der echte Umsatzrückgang nur mit einem gewissen Prozentsatz kompensiert wird. Man hat auch schnell gelernt,“ betont Reitterer. „Dass wir dann 2021 sieben Monate zu hatten und das Geld mehr als dringend gebraucht haben, steht auf einem anderen Blatt, nämlich in den Zahlen, die in einem Jahr veröffentlicht werden. Das meine ich mit zu kurz gedacht,“ sagt die Hoteliersfrau im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.

"Ausfallsbonus nicht treffsicher"

Momentum-Ökonom Alexander Huber sieht aber auch den Ausfallsbonus nicht als treffsicher an. „Ersetzt wurde immer ein Anteil am Umsatz, ohne auf die tatsächlichen Kosten zu achten“, erklärt Huber. Zudem mache es mehr Sinn, ganze Geschäftsjahre zu betrachten.

Angesichts der Kurzfristigkeit, mit der die Lockdowns beschlossen wurden, wirft der Vorschlag allerdings Fragen auf, zudem sind Unternehmen verpflichtet, ein Zuviel an erhaltenen Fördergeldern zurückzuzahlen. Das trommeln das Finanzministerium und die Covid-Finanzierungsagentur Cofag bereits seit Monaten - durchaus mit Wirkung. Denn 1200 Unternehmen haben inzwischen rund 15 Millionen Euro zurückgezahlt. Bereits mehrfach wurden seitens des Finanzministeriums scharfe Überprüfungen und hohe Strafen bei fehlenden Korrekturmeldungen angedroht.

"Zeiten der breiten Geldverteilung zurückdrehen"

Zu den schärfsten Kritikern von Corona-Hilfen „mit der Gießkanne“ gehört seit Pandemie-Ausbruch der Kreditschutzverband von 1870, KSV. „Wir sehen bei etwa einem Drittel der Unternehmen eine gewisse Überförderung,“ so KSV-Chef Ricardo Jose Vybiral. „Diese Firmen hätten das Geld gar nicht benötigt. Aber aus kaufmännischer Sicht sehen sich  Unternehmen auch verpflichtet, die Hilfen in Anspruch zu nehmen.“ Branchenbetrachtungen hält er für wenig zielführend, der Tourismus sei extrem differenziert. „In der Stadthotellerie haben wir im Dezember wieder gesehen, wie die Zahlen eingebrochen sind.“ Generell müsse man die Zeiten der breiten Geldverteilung aber zurückdrehen und Unternehmen dazu ermutigen, von sich aus über eine geordnete Insolvenz in die Sanierung zu gehen. Dieses Instrument sei in der Pandemie zu kurz gekommen. "Das Verhindern von Pleiten hat leider dazu beigetragen, dass die Stigmatisierung von Insolvenzen weiter zugenommen hat," so Vybiral.

Wifo-Experte Werner Hölzl will angesichts der insgesamt mageren Datenlage keinesfalls von genereller Überförderung reden. "Man müsste für eine Beurteilung die kompletten Leistungen über einen größeren Zeitraum betrachten," so Hölzl. Alle Corona-Hilfen wissenschaftlich zu evaluieren, um daraus zu lernen, diese Forderung haben der Fiskalrats-Präsident Christoph Badelt, das Wirtschaftsforschungsinstitut und das Institut für Höhere Studien schon mehrfach vor einigen Wochen  aufgestellt. Warum die Datenlage so dünn ist: Zahlen über Förderungen für mittlere und kleinere Unternehmen werden aus nachvollziehbaren Datenschutzgründen erst gar nicht in Transparenzdatenbanken veröffentlicht.