Das Schild "Alles ausverkauft" prangt schon länger über den Bellevue-Wohnungen am Wörthersee-Nordufer in Techelsberg. Letzte Woche wurden die 42 Apartments, die von Unternehmer Johann Grandits als "Residenzen" vermarktet werden, ihren Besitzern übergeben. Eines von zahlreichen aktuellen Apartment-Projekten am Wörthersee, dessen "facettenreiches Farbenspiel" eines der Verkaufsargumente im Prospekt war. 

Facettenreich ist auch die Wahrnehmung von Investitionen wie dieser. Nebenwohnsitze am Wörthersee sind bei Bauherren und Käufern beliebt, von den meisten anderen aber ungeliebt.

Eine siebenköpfige Kärntner Investorengruppe rund um Hans-Werner Frömmel, dem Geschäftsführer der Werzer's Hotelgruppe, der auch Obmann des Österreichischen  Baumeisterverbands ist, sieht sich daher berufen, den Unmut zu kalmieren. Und zwar, indem sie die wirtschaftliche Bedeutung von touristisch genutzten Zweitwohnsitzen am Wörthersee herausstreichen. Eine eigens beauftragte Studie, ausgeführt von Norbert Wohlgemuth von der Uni Klagenfurt und Alexander Schnabel vom Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien, hat berechnet, dass die 700 Zweitwohnsitze am Wörthersee (Basis ist das Jahr 2018, mittlerweile dürften weitere 100 dazugekommen sein) 32 Millionen Euro Wertschöpfung für Österreich bringen, davon 20 Millionen Euro in Kärnten, davon knapp neun Millionen Euro in der Wörthersee-Region. "Durch diese Ausgaben werden rund 500 Arbeitsplätze in Österreich gesichert, davon 323 in Kärnten", sagt Schnabel.

Präsentierten die Studie über die Wirtschaftlichekti von Benewohnsitzen: Hans-Werner Frömmel, flankiert von Alexander Schnabel (IHS) und Professor Norbert Wohlgemuth
Präsentierten die Studie über die Wirtschaftlichekti von Benewohnsitzen: Hans-Werner Frömmel, flankiert von Alexander Schnabel (IHS) und Professor Norbert Wohlgemuth © WKK/Studiohorst/KK

Angewendet wurde das Verfahren der Input-Output-Analyse, wonach jede Nachfrage eine Kaskade weiterer Nachfragen nach sich zieht. Auch die Steuern und Abgaben der Wörthersee-Zweitwohnungen haben Wohlgemuth und Schnabel berechnet und beziffern sie mit 16 Millionen Euro.

Rosenhof-Residenzen von L1-Immobilien in Dellach. Nachfrage generiert Nachfrage
Rosenhof-Residenzen von L1-Immobilien in Dellach. Nachfrage generiert Nachfrage © L1/KK

"Zwei Drittel der Zweitwohnsitze am See sind in österreichischer Hand. Sie gehören vor allem Wienern, Steirern und Kärntnern. Von einem Ausverkauf der Heimat kann also keine Rede sein", sagt Frömmel. Und: "Hotelgäste gibt es am Wörthersee fast nur im Sommer - mit einer Verweildauer von sieben Tagen. Zweitwohnsitzbesitzer geben laut Umfragen 150 Euro am Tag aus. Und sie sind mindestens 60 bis 120 Tage im Jahr da. Sehr viele auch über Weihnachten." Otto Retzer habe ihm erzählt, dass er "immer die Christbäume seiner Zweitwohnsitz-Miteigentümer in Auen wegräumen" müsse. "Aus ökonomischer Sicht sind also Errichtung und Betrieb von Zweitwohnsitzen eindeutig mit privaten Ausgaben in Millionenhöhe verbunden, die sonst nicht in die Region fließen würden."

Mit anderen Worten: "Die Wörthersee-Region lebt wesentlich von den Zweitwohnsitzen", resümiert Frömmel (79).

Herbei also mit weiteren "Residenzen" an den Ufern von Kärntens größtem See (der übrigens zu 82 Prozent in Privatbesitz ist)?

"Das ist eine ambivalente Frage vergleichbar mit: Pest oder Cholera? Oder: Betonhai oder Rattenburg?", sagt Peter Sterz vom Seeresort Barry-Memle in Velden. "Den Tourismus wollen sich viele nicht mehr antun und lassen ihre Liegenschaften verfallen, mähen zum Teil nicht einmal mehr den Rasen. Viele Tourismusfamilien sterben aus. Und dann kommen Investoren, sprengen den Felsen weg und bieten dann sieben Quadratmeter Badeplatz. Zweitwohnsitze sind Segen und Fluch."

Auch Gerhard Godescha, Proponent des Seenvolksbegehrens, beeindruckt die berechnete Wirtschaftlichkeit der Zweitwohnsitze nicht. "Mit ihnen wird der See verbaut, an den dann die Touristen nicht mehr herankommen. Und die Gemeinden haben die laufenden Kosten zu bestreiten."

Schuschnig: "Keine Geisterwohnungen"

Auch Tourismuslandesrat Sebastian Schuschnig (ÖVP) sieht die Studie kritisch: "Touristische Investoren sind dann willkommen, wenn keine Zweitwohnsitze durch die Hintertür entstehen, sondern die Betten ganzjährig dem Tourismus zur Verfügung stehen.“ Und: "Die tatsächliche Rechnung bekommt Kärnten und der Tourismus erst in Jahrzehnten präsentiert. Ich bin deshalb massiv dagegen, dass in Kärntens Tourismusorten noch mehr Geisterwohnungen entstehen."