Als die Arbeitslosenzahlen im Frühjahr 2020 in zuvor nie gekannte Höhen galoppierten und diese zweifellos historische Arbeitsmarktkrise dominierendes Thema war, zeigte sich Andreas Höller zunehmend verzweifelt. Nicht etwa, weil der Unternehmer aus Gratwein, der auch als Bundesinnungsmeister der Hafner, Platten- und Fliesenleger sowie Keramiker fungiert, selbst von Arbeitslosigkeit betroffen gewesen wäre. Im Gegenteil. Er suchte für seinen Betrieb händeringend nach Fachkräften, konnte trotz Rekordarbeitslosigkeit aber keine finden und musste daher sogar Aufträge ablehnen.

Der Handwerksbereich leidet gewissermaßen chronisch unter einem Mangel an Fachkräften, was sich dort selbst in diesen gesamtwirtschaftlich vielerorts finsteren Zeit des Vorjahres manifestierte. Damit habe sich aber auch gezeigt, wie krisenfest diese Berufe sind, lautet ein Fazit von Höller, wenngleich sich an der Mangelsituation nichts geändert habe. „Eine fertig ausgebildete Top-Fachkraft zu finden, da bist du chancenlos.“ Dabei gebe es nach wie vor „unglaublich viel Arbeit“, sagt Höller. Mit dieser guten Auftragslage im Handwerk nehme die Personalnot weiter zu, wie Branchendaten zeigen.

Ausbildung, Anreize und Reformen

So liegt der österreichweite Personalbedarf in Gewerbe- und Handwerksbetrieben, der laut jüngster Konjunkturumfrage der Sparte für das laufende vierte Quartal angemeldet wurde, sogar auf einem Rekordhoch. Die geplante Erhöhung um fünf Prozent sei der höchste Wert, „den wir jemals für ein viertes Quartal verzeichnet haben“, so die KMU Forschung Austria. Bundesspartenobfrau Renate Scheichelbauer-Schuster betont: „Diese geplante Erhöhung des Personalbedarfs würde einer zusätzlichen Beschäftigung von rund 35.000 Personen entsprechen.“ Damit dieser Bedarf erfüllt werden könne, müsste viele Schrauben gedreht werden: „Wir müssen das Reservoir an arbeitslosen Personen bestmöglich ausschöpfen, wir brauchen Anreize, damit ältere Fachkräfte länger im Betrieb bleiben sowie umfassende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, damit die Beschäftigung von Frauen steigen kann. Und wir brauchen mehr Mobilität, damit die Menschen Zukunftschancen dort ergreifen, wo Jobs auf sie warten.“

Eine Schlüsselrolle spielt auch die Ausbildung. Bundesweit lag die Lehrlingszahl in der Sparte Gewerbe und Handwerk zuletzt bei knapp 47.300, immerhin ein Plus von 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei den Lehranfängern lag der Zuwachs sogar bei 580, ein Anstieg von 4,4 Prozent. Der steirische Spartenobmann Hermann Talowski unterstreicht die Bedeutung der dualen Ausbildung. Gleichzeitig verweist er auch darauf, dass durch den Wegfall der geburtenstarken Jahrgänge und den Pensionierungen noch weitere Akzente notwendig seien. „Ohne qualifizierten Zuzug aus dem Ausland wird es nicht gehen“, sagt Talowski. Er drängt daher auch auf eine Modernisierung der Rot-weiß-Rot-Karte, um diese Möglichkeit zu erweitern und zu entbürokratisieren. „Da wird auch niemandem im Inland ein Arbeitsplatz weggenommen, wir haben gerade 2300 Lehrstellen bei unserer Lehrlingsinitiative ausgeschrieben, wir übernehmen also Verantwortung. Aber die Lücke ist so groß, dass es sich ohne ergänzenden qualifizierten Zuzug nicht ausgeht.“

Die Lehrlingsausbildung sei ein zentrales Instrument, unterstreicht auch Höller, „aber wir haben jetzt ein Loch, da brauchen wir auch kurzfristigere Lösungen, um die Qualität halten zu können“. Die Entlohnung sei ein Faktor, wobei ein Gros der Betriebe über dem Kollektivvertrag entlohne. Bei den Fliesenlegern wird derzeit beispielsweise auch am Aufbau eines eigenen Ausbildungszentrums gearbeitet, das u. a. auch spezifische Teilqualifikationen, schulische Ausbildung mit hohem Praxisanteil sowie Umschulungen und Weiterbildungen forcieren soll. Einige Gewerbe- und Handwerksbetriebe haben zuletzt auf eine Vier-Tage-Woche umgestellt, weil es sich personell nicht mehr anders machen lässt, aber auch, um für Beschäftigte und neue Mitarbeiter attraktiver zu werden. Doch das schränkt für Konsumenten eben auch das Angebot ein.