In Großbritannien ist die Definition von „Energiearmut“ bereits seit Jahren staatlich anerkannt. Energiearm ist ein Haushalt im Allgemeinen, wenn er einen nur eingeschränkten Zugang zu einer angemessenen Energieversorgung hat. Und im Besonderen, wenn er mehr als zehn Prozent seines Einkommens für das Warmhalten seiner Wohnung aufwenden muss. Warm, das heißt 21 Grad in Aufenthalts- und 18 Grad in Nebenräumen (diese Definition wiederum stammt von der WHO).

In Österreich können es sich derzeit 94.000 Haushalte bzw. 2,4 Prozent aller Haushalte nicht leisten, die Wohnung angemessen warm zu halten. Diese Daten erhob die Statistik Austria im Auftrag der E-Control. 2,4 Prozent – das klingt zunächst einmal nach einer überschaubaren Dimension. Die Gründe dafür sind aber nicht nur niedrige Einkommen und eine geringe Energieeffizienz der Häuser, sondern – und das zunehmend – hohe Energiekosten. Die EU-Kommission hat nun, wie berichtet, sogar eine Art Werkzeugkasten im Kampf gegen die explodierenden Preise vorgelegt. Die Staats- und Regierungschefs der EU haben das Thema zudem auf die Agenda für den EU-Gipfel in der kommenden Woche gesetzt.

Ölpreis am höchsten Stand seit drei Jahren

Der Strompreis hat zuletzt erstmals die 100-Euro-Marke pro Megawattstunde geknackt. Der Strompreis im Großhandel wird in Europa wiederum stark vom Gaspreis beeinflusst, der seinerseits steigt, weil Gaskraftwerke weniger Treibhausgase als Kohlekraftwerke emittieren und deshalb bevorzugt werden: Die Nachfrage nach Gas steigt. Auch bei den Ölpreisen geht es aufwärts: In dieser Woche ist der Brentpreis mit mehr als 84 Dollar auf den höchsten Stand seit drei Jahren geklettert. So steigt auch der Preis für Heizöl und der Preis an der Tankstelle. (Wiewohl der Börsepreis sich nur zu einem Drittel auf den Treibstoffpreis auswirkt.) Wie sehr er konkret gestiegen ist, hat die Arbeiterkammer Steiermark erhoben. Demnach sind die Preise im Vergleich zu jenen vor zwei Wochen im Durchschnitt um 5,57 Prozent gestiegen. Ein 3000-Liter-Tank kostet derzeit durchschnittlich 2445 Euro und ist gegenüber dem Vorjahr um 807 Euro oder 49,27 Prozent teurer.

Wie geht es weiter? „Eine Beruhigung der Preise ist nicht in Sicht“, heißt es etwa vom Klagenfurter Mineralölhändler Sternath. Und: „Obwohl die Preise derzeit enorm hoch sind, sind wir voll ausgelastet. Die Kunden müssen kaufen, weil sie heizen müssen.“ Gut ausgelastet ist auch der steirische Mineralölhändler Roth: „Die Preise haben eben wieder ein Vor-Corona-Niveau erreicht. Jene von letztem Jahr waren ja abnormal tief.“ Die beschlossene CO2-Bepreisung ab 2022 sei noch nicht im Bewusstsein der Konsumenten angekommen.

Wirtschaftliche und politische Aspekte

Den Preis künstlich niedrig zu halten, wie es etwa der französische Präsident Emmanuel Macron versucht – er deckelt Preisanstieg von Gas und Strom über den Winter –, davon hält Ökonom Werner Hoffmann, Professor an der WU Wien, nichts. Das Angebot würde dadurch nur weiter sinken, die Preise sich langfristig noch stärker erhöhen.

Hoffmann sieht mehrere Gründe für die spürbar steigenden Preise. Wegen der eingeleiteten Energiewende steigt der Bedarf an grünem Strom bzw. grünem Wasserstoff: Mehr Bedarf als Angebot – das treibt den Preis. „Der Bedarf an Erdgas bleibt jedoch weiterhin aufrecht. Und genau dort sehen wir ebenfalls einen Preisauftrieb. Er reflektiert die Versorgungsunsicherheit bzw. den Nachfrageüberhang“, sagt Hoffmann. Dass der russische Staatskonzern Gazprom weniger Gas in die EU liefert, als er könnte (um politischen Druck aufzubauen, um die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2 durchzusetzen), trägt ebenfalls zum Preisauftrieb bei.

"Öl zuwenden, um Lichter brennen zu lassen"

Und die Opec, „Organisation erdölexportierender Länder“, reagiert sehr zurückhaltend auf den aktuellen Nachfrageanstieg – die Fördermenge wurde zuletzt nur ganz zart angehoben. „Zwar geht das Ölzeitalter zu Ende, das weiß auch die Opec. Aber in den nächsten Jahrzehnten will sie noch die maximale Wertschöpfung aus ihrem Bodenschatz herausholen“, so Hoffmann. Das sind strukturelle Ursachen, aber es gibt auch konjunkturelle: „Der Wirtschaftsaufschwung nach der wirtschaftlichen Coronakrise führt zu mehr Nachfrage“, so Hoffmann. Auch dieser Umstand lässt die Energiepreise steigen.

Die Folgen der Energiepreisentwicklungen treffen auch die Unternehmen und damit die gesamte Wirtschaft. Die Internationale Energieagentur (IEA) warnt bereits, dass die hohen Preise zum einen die Inflation weiter anheizen und damit auch die weltweite Konjunkturerholung von der Pandemie verlangsamen könnten. „Rekordpreise für Kohle und Gas sowie wiederkehrende Ausfälle veranlassen den Stromsektor und energieintensive Industrien, sich dem Öl zuzuwenden, um Lichter brennen zu lassen und den Betrieb am Laufen zu halten“, teilt die IEA mit. Man geht davon aus, dass sich die Ölnachfrage entsprechend nach oben entwickeln wird. E-Control-Vorstand Alfons Haber rechnet mit dem Rückgang der Strompreise im zweiten Quartal 2022. Von einer Senkung der Netzgebühren, wie sie die EU vorschlägt, hält er nichts: „Kosten, die anfallen, müssen auch gedeckt werden.“