Dieser Beitrag im Fachmagazin "Eurofi" sorgte international für viel mediale Resonanz: Nur einen Tag vor der heutigen Ratssitzung der Europäischen Zentralbank wurden durchaus bemerkenswerte Einschätzungen von Österreichs Nationalbank-Gouverneur und EZB-Rat Robert Holzmann von Nachrichtenagenturen veröffentlicht.

Es bestehe die Möglichkeit, "dass wir in der Lage sein könnten, die Geldpolitik früher zu normalisieren als die meisten Finanzmarktexperten erwarten", so Holzmann. Der heutigen EZB-Zinssitzung wird mit viel Spannung entgegengeblickt. Denn die Inflationsentwicklung in Kombination mit der guten Wirtschaftslage setzt die Notenbanken unter Druck. Das Inflationsziel von zwei Prozent, das über Jahre nicht erreicht werden konnte, wurde zuletzt mit drei Prozent deutlich übertroffen. Bei der EZB wird zwar damit gerechnet, dass dieser Anstieg vor allem von pandemiebedingten Sondereffekten getrieben ist. Es gibt aber auch Stimmen, die das nicht ganz so entspannt sehen. Von den EZB-Ökonomen werden heute jedenfalls neue Prognosen zur Preisentwicklung erwartet. EZB-Präsidentin Christine Lagarde lädt am frühen Nachmittag zur Pressekonferenz.

Knackpunkt der heutigen Sitzung

Worum könnte es dabei gehen? An der Zinsschraube, die bei null Prozent eingerostet ist, wird nicht gedreht, es dürfte aber zu durchaus kontroversiellen Debatten rund um das nach Ausbruch der Corona-Pandemie aufgelegte Anleihenkaufprogramm "PEPP" kommen. Es hat ein Volumen von 1,85 Billionen Euro und soll - so der bisherige Plan - noch bis mindestens Ende März 2022 laufen, um vor allem günstige Finanzierungsbedingungen sicherzustellen. Ob es heute zu einer Grundsatzentscheidung zu den Anleihenkäufen, die zunehmend kritisch beäugt werden, kommt, ist fraglich.

"Spannend an der EZB-Sitzung werden die Einschätzungen der Inflation für die nächsten Jahre sein", so Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek. "Denn das wird der Knackpunkt sein, ob man  sich zu einer Kürzung des PEPP-Programms entschließen kann. Da sind wir ja de facto bei 85 Milliarden Euro pro Monat, nicht bei 80, also noch weiter weg als von den 60 Milliarden im ersten Quartal“. Seine Prognose: „Wahrscheinlich wird die EZB dieses Mal noch einmal die Risiken des Aufschwungs betonen, im Dezember wird  sie diese Möglichkeit wohl nicht mehr haben." Denn zu so breitflächigen, pandemiebedingten Schließungen wie im vergangenen Jahr werde es aus seiner Sicht nicht mehr kommen. „Grundsätzlich hat die EZB aber schon jetzt die Chance, den Anstoß für ein etwas geringeres Ankaufsvolumen in dem Notfallprogramm zu geben.“

Klare Korrektur bisheriger Inflationsprognosen erwartet

Brezinschek erwartet eine klare Korrektur der bisherigen Inflationsprognosen für heuer. Eine Inflationsrate unter zwei Prozent gehe sich für heuer schlichtweg nicht mehr aus, er rechnet mit 2,3 bis 2,5 Prozent für das Gesamtjahr. „Wenn die EZB es politisch ansetzt, werden es 2,2 Prozent. Der Höhepunkt komme wahrscheinlich im November, dann werde die Inflation voraussichtlich bei 3,5 Prozent liegen. „Es gibt genügend Anhaltspunkte oder Argumentationshilfen, die die Falken, die für eine Normalisierung der Geldpolitik eintreten, in die Waagschale werfen können, um langsam aus dem Notfallprogramm aussteigen zu können.“