In der Nacht auf Montag weitete die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ihren seit Samstagnachmittag dauernden Streik wie geplant vom Güter- auf den Personenverkehr aus. Bis Mittwochfrüh, 2.00 Uhr, müssen sich Millionen Reisende auf massive Einschränkungen vor allem im Fernverkehr einstellen. Die Auswirkungen könnten je nach Region unterschiedlich sein, teilte die Bahn mit. Rund ein Viertel der Fernzüge sollen laut Deutscher Bahn fahren. Vor allem auf einigen Hauptachsen soll alle zwei Stunden ein Zug fahren.

Zugverbindungen fallen aus

Laut aktuellem Stand verkehren während des geplanten deutschen Bahnstreiks ICE-Züge über Passau nach Wien Hauptbahnhof in Österreich planmäßig. Bei den EC-Zügen Tauern/Ennstal über Salzburg kommt es voraussichtlich zu einem Ausfall im Bereich der Deutschen Bahn, eine Wende auf Gegenzug ist in Salzburg vorgesehen.

Folgende ÖBB-Nachtzugverbindungen können wegen des Bahnstreiks in Deutschland seit Sonntag nicht geführt werden: Wien-Hamburg, Innsbruck-Amsterdam, Hildesheim-Hamburg und Zürich-Berlin. Zusätzlich entfallen ab heute, Montag, die Nachtzüge Salzburg-München und Köln West-Brüssel Midi. Bei der Verbindung Berlin-Wien gibt es nur einen Kurswagenteil aus Warschau. Ab Mittwoch werden die Nachtzüge laut ÖBB wieder regulär unterwegs sein.

Die Deutsche Bahn bietet im Tarifkonflikt mit der GDL nun zusätzlich eine Corona-Prämie an und will so weitere Streiks abwenden. "Mit einer Corona-Prämie kommen wir einem wichtigen Anliegen der Gewerkschaften entgegen", teilte Personalvorstand Martin Seiler am Sonntag mit.

Lange Vorgeschichte zum Streik

Zum Streik bei der Deutschen Bahn gibt es indes eine lange Vorgeschichte. Schon 2020 gab es eine Schlichtung, im Juni erklärte die Lokführergewerkschaft GDL die Tarifverhandlungen für gescheitert. Die wichtigsten Streitpunkte im Überblick:

  • Löhne und Gehälter: Die GDL verlangt für die Beschäftigten 1,4 Prozent mehr Geld in diesem Jahr und 1,8 Prozent mehr 2022 - in Summe 3,2 Prozent. Das entspricht dem Abschluss im Öffentlichen Dienst. Ihre ursprüngliche Forderung von 4,8 Prozent mehr Geld hat die GDL fallen gelassen. Sie verlangt aber zusätzlich eine Corona-Prämie von 600 Euro, die noch 2021 fließen soll. Die Deutsche Bahn hat 3,2 Prozent mehr Entgelt angeboten, jedoch zu späteren Zeitpunkten. Sie orientiert sich dabei mit Blick auf die Laufzeit an den Regelungen, die im Öffentlichen Dienst für die Flughäfen getroffen wurden: Sie bietet 1,5 Prozent mehr Geld ab Jänner und 1,7 Prozent zum März 2023 bei einer Laufzeit bis zum 30. Juni 2024.

  • Laufzeit: Gewerkschaften wollen meist kurze Laufzeiten für Tarifverträge; dann lässt sich schneller wieder verhandeln. Die GDL kämpft für eine Laufzeit von 28 Monaten. Die Bahn strebt 40 Monate an. Mit der zweiten Bahn-Gewerkschaft EVG gilt seit 2020 ein Vertrag bis Februar 2023. Holt die GDL für die Zeit bis dahin mehr raus, hat die EVG ein Sonderkündigungsrecht und kann nachverhandeln.

  • Geltungsbereich: Die Lokführergewerkschaft will Rahmentarifverträge für weitere Berufsgruppen abschließen. 2014/2015 war es ihr nach Streiks gelungen, auch für Zugbegleiter einen Abschluss auszuhandeln. Nun will sie auch die Fahrzeuginstandhaltung, den Netzbetrieb und die Fahrweginstandhaltung sowie die Rahmenbedingungen für die Auszubildenden tarifieren. Die Deutsche Bahn lehnt das ab. Sie geht davon aus, dass die GDL in den Infrastrukturbetrieben kaum Mitglieder hat. Nach dem Tarifeinheitsgesetz käme dann ohnehin nur der Vertrag der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zur Geltung. Das Verfahren dazu greift die GDL gerichtlich an. Zudem will sie mehr Mitglieder gewinnen, um den Mechanismus auszuhebeln.

  • Betriebsrente: Sie fußt hauptsächlich auf einem Pensionsfonds, der in Aktien und Anleihen investiert. Es gibt aber auch den sogenannten Zusatzversorgungstarifvertrag. Für diese Zusatzrente legt die Bahn für Beschäftigte Geld zurück. Weil es kaum noch Zinsen gibt und die Rücklagen die Bilanz belasten, hat die Bahn den Vertrag 2020 gekündigt. Die Arbeitgeberbeiträge zum Pensionsfonds stiegen unterdessen auf 3,3 Prozent des Jahresgehalts. Die GDL will an der Zusatzrente festhalten. Die Deutsche Bahn will das System in den Pensionsfonds überführen und hat in einer Schlichtung 2020 angeboten, die Beiträge auf 3,7 Prozent zu erhöhen. Die GDL lehnte die Schlichtungsempfehlung ab. Sie fürchtet, dass Beschäftigte im Alter insgesamt weniger Geld erhalten, während die Bahn für sie unterm Strich ein Plus erwartet.