Der globale Schiffsverkehr ist aus dem Takt. Hauptverantwortlich dafür? Das Coronavirus. Genauer gesagt dessen Auftreten im chinesischen Frachthafen Yantian, der wegen infizierter Hafenarbeiter zeitweise schließen musste. Die dadurch ausgelöste Kettenreaktion verschärft eine ohnehin angespannte Situation, seit Wochen liegen etwa die Frachtvolumina im Roten Meer um zehn Prozent unter den erwartbaren Mengen.

Der Rückstau im Schiffsverkehr sorgt wiederum für Containerknappheit und Preissteigerungen. Die Knappheit spürt neben der Industrie – Stichwort „Chipmangel“ – längst auch der Einzelhandel. Sport- und Elektronikhandel warten sehnsüchtigst auf bestimmte Produktgruppen, Möbelriese Ikea will das Angebot in Europa 2022 um fünf Prozent – immerhin 600 Artikel pro Einrichtungshaus – reduzieren. Butlers stellt seine Kunden bereits darauf ein, dass einzelne Waren „zeitweise ausverkauft sein werden“.

90 bis 95 Prozent der Waren kommen per Schiff

„Wir erleben derzeit die größte Beschaffungskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“, spart Harald Gutschi im Gespräch mit der Kleinen Zeitung nicht mit bedeutungsschweren Worten. Gutschi selbst, seit 1994 im Versandhandel tätig und aktuell an der Spitze von Unito (Universal, Otto, Quelle), will derlei jedenfalls „noch nicht erlebt“ haben. „Wenn man keine langfristigen Verträge und kein gutes Partnerlogistik-Netzwerk hat, dann hängt man“, sagt Gutschi.

Aus Asien kommen heute „90 bis 95 Prozent der Waren per Schiff“, erzählt wiederum Robert Brugger, Chef des Internationalisierungscenter Steiermark (ICS), von der Bedeutung der nun gehemmten Ozeanriesen. Ob ihrer Kapazität, 20.000 bis 24.000 Container fassen die Schiffe, werden diese auch in naher Zukunft kaum an Relevanz verlieren. Auf Züge schaffen es keine 100 Container, der Transport per Flugzeug ist teuer. „Das Schiff ist unersetzbar“, sagt Brugger. Und aktuell sehr kostspielig.
Die Preise für Container aus China hätten sich von früher 1500 Euro zum Teil auf bis zu 10.000 Euro fast verzehnfacht, berichtet Unito-Chef Gutschi. Dabei sei man vermutlich nicht einmal am Ende der Fahnenstange, ergänzt Brugger. Ab August verlassen Waren für das Weihnachtsgeschäft die asiatischen Häfen, die Reeder wittern ob der Engpässe gute Geschäfte. „Ich schließe nicht aus“, sagt Brugger, „dass wir noch im Herbst Containerpreise zwischen 14.000 und 15.000 Euro sehen“.

Weißware bleibt bewusst in China

Das wiederum führt zu kuriosen Situationen, dass manch Unternehmen Ware – etwa sperrige Weißware wie Kühlschränke oder Waschmaschinen – nicht überstellt, weil sie die exorbitanten Preissteigerungen nicht an Kunden weitergeben wollen und können. Dennoch müsse man sich auch in Österreich „darauf einstellen, dass viele Produkte aus Fernost in den kommenden Monaten deutlich teurer werden“, sagt der Ökonom Gabriel Felbermayr. Das Plus könne bei „bis zu 20 Prozent“ liegen, ein Ende des Lieferketten-Chaos sei nicht in Sicht.

„Die Probleme werden sich noch lange bis in das Jahr 2022 ziehen, weil die weltweite Nachfrage so heftig angestiegen ist“, prognostiziert Harald Gutschi. Chiphersteller wie Intel sehen den größten Engpass noch kommen und rechnen erst 2023 mit einer Normalisierung. Das führt speziell in Europa vermehrt dazu, Logistik neu zu denken. „Wir sind verletzbar“ geworden, sagt ICS-Chef Brugger. „Die Lektion ist, dass wir kontinentale Lieferketten aufbauen müssen“, ließ jüngst wiederum KTM-Lenker Stefan Pierer wissen.