Obwohl die Insolvenzen zuletzt paradoxerweise zurückgingen, schlagen Österreichs Schuldnerberater jetzt Alarm. "Es ist die Ruhe vor dem Sturm", sagt Michael Lackenberger, Geschäftsführer der gemeinnützigen Schuldnerberatung Niederösterreich während der Präsentation des aktuellen Schuldenreports am Montag. "Durch Kurzarbeit und Jobverlust erweitert sich unsere Klientel. Auch Menschen aus der gesellschaftlichen Mittelschicht geraten zunehmend in die Schuldenfalle. Personen, die sich nie hätten vorstellen können, einmal eine Schuldenberatung zu brauchen, die aber jetzt ihre Leasingrate und die Miete nicht mehr bezahlen zu können. Die Schere zwischen Arm und Reich weitet sich aus."

55.000 Menschen erhielten im Jahr 2020 Unterstützung von einer der zehn staatlich anerkannten Schuldenberatungen. Jeder dritte, der eine Schuldenberatung aufsucht, hat monatlich höchstens 1000 Euro zur Verfügung. Lackenberger und Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatungen, erwarten in den nächsten Monaten bzw. im nächsten Jahr einen Run auf die Schuldnerberatungen. Sie beziffern den prognostizierten Anstieg mit rund 36 Prozent, basierend auf dem Fakt, dass immer rund 2,6 Prozent der Arbeitslosen Schuldnerberatung in Anspruch nehmen. Mehr Arbeitslose: mehr Überschuldete. "Und dazu kommen noch die ehemaligen bzw. gescheiterten Selbstständigen."

Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatungen
Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatungen © asb/Christoph Kempter/KK

Die Corona-Hilfen und Stundungen laufen langsam aus. Finanzamt und Sozialversicherungen beginnen mit ihren Eintreibungen, sagt Mitterlehner. Viele Österreicher hätten aber in den letzten Monaten Schulden gemacht, um überleben zu können. Jetzt, erst jetzt, wird es für viele eng. Dabei sind in Österreich ohnehin schon 289.000 Menschen arm trotz Erwerbstätigkeit. Und 385.000 Kinder armutsgefährdet.

Was kosten Kinder?
Was kosten Kinder? © asb/KK

Das Problem: Wie viele überschuldete Menschen es konkret gibt, wird in Österreich seit 2008 nicht mehr erhoben, was Mitterlehner und Lackenberger kritisieren. "Dadurch haben wir das Bild vor der Krise nicht. Und der Gesetzgeber ist im Blindflug und mit bloßem Bauchgefühl unterwegs." In Deutschland werden die Überschuldungsquote sehr wohl erhoben. In Bayer beträgt sie derzeit sieben Prozent, in Saarbrücken 16 Prozent. "In Österreich hingegen sind wir auf Mutmaßungen angewiesen", Man geht derzeit von zehn Prozent aus, das entspräche 680.000 überschuldeten Menschen.