Das Rad kann man nicht neu erfinden, aber neu entdecken. Mit Lastenrädern ist das definitiv der Fall. In Städten sind sie eine spezielle Ausprägung des Fahrrad-Booms.

Gemessen an den Zahlen handelt es sich zwar um einen Nischenmarkt, sagt Hans-Jürgen Schoder, Sprecher der Industrie (Arge Fahrrad): „Wir bewegen uns noch bei knapp unter 1000 Rädern pro Jahr in Österreich. Entscheidend ist jedoch das rasante Wachstum. Von 2019 auf 2020 hat sich der Markt fast verdreifacht. Wir rechnen mit einer weiteren Vervielfachung in den nächsten Jahren.“

Die Gründe sind mannigfaltig. Lastenräder taugen im Privaten als Autoersatz, werden aber immer öfter auch von Händlern, Gastronomen, Handwerkern und Logistikanbietern für die „letzte Meile“, also die Zustellung genutzt. Der deutsche Hersteller Riese & Müller hat dieses Potenzial vor zehn Jahren erkannt und die Nische der sogenannten Cargobikes besetzt, die in der Regel mit E-Motoren ausgestattet sind.

Hohe Förderungen

Konkrete Zahlen nennt Riese & Müller aus Mühltal bei Darmstadt nicht, nur, dass der Absatz Jahr für Jahr steige und durch Corona noch einmal beschleunigt worden sei. „Die Veränderung wurde durch eine bessere Radinfrastruktur in Städten angestoßen. Viele Menschen sind auf der Suche nach einer gesunden und flexiblen Mobilitätsalternative“, sagt Sprecher Jörg Matheis.

Dazu kommen hohe Förderungen, wie Schoder anmerkt. In Österreich betrage sie aktuell 1000 Euro – das ist viel bei einem durchschnittlichen Kaufpreis von 3500 Euro. Dazu kommt, dass die Anschaffung vorsteuerabzugsfähig ist. Wer nicht gleich kaufen will, stößt im Internet sehr rasch auf Verleihangebote.

Lieferengpässe

„Der Trend passt zur Mobilitätswende und dem Regierungsziel, den Radanteil bis 2030 zu verdoppeln.“ In Zeiten verstopfter Innenstädte und von Fahrverboten sieht auch Matheis das Potenzial von Lastenrädern „noch lange nicht erschöpft“. Aktuell leiden freilich alle Radhersteller unter Lieferengpässen bei Komponenten, was zu längeren Wartezeiten bei einigen Modellen führt.

Umgestiegen ist auch die Österreichische Post. Bei ihr sind derzeit landesweit 700 E-Bikes im täglichen Einsatz, zusätzlich 100 Quads (Jetflyer) bzw. Trikes (Kyburz) in einer Testphase. Sie ersetzen vor allem Mopeds, da mit diesen Fahrzeugen im Vergleich die doppelte Menge an Briefen und kleinen Paketen transportiert werden könne.

© Österreichische Post

„Mit dem steigenden Paketvolumen und der Optimierung der Zustellung ist unser Ziel ein Ausbau dieses Fuhrparks“, sagt Michael Homola, Sprecher der Post. Die Quads und Trikes versprechen, obwohl keine klassischen Lastenräder, den Zustellern mehr Komfort und Sicherheit.

Der kleinere Mitbewerber GLS hat vor drei Jahren auf die Zustellung via Cargobikes umgesattelt. Mittlerweile wurden die Lastenräder aber durch das E-Scooter-Modell Tripl des dänischen Herstellers EWII ersetzt. „Sie sind stabiler und ausgereifter, haben eine Reichweite von bis zu 100 Kilometern“, begründet Christian Schöninger, Chef von GLS Österreich. Der Reparaturaufwand sei geringer. Die Vorteile sind dieselben wie bei Lastenrädern. Die Fahrzeuge dürfen in innerstädtische Fußgängerzonen einfahren und ersetzen Transportautos. GLS setzt die E-Scooter in mehreren Städten ein.