Mehr als 5500 junge Steirerinnen und Steirer unter 25 sind derzeit arbeitslos gemeldet – das sind um fast 16 Prozent mehr als noch im Jänner des Vorjahres. Die Turbulenzen am Arbeitsmarkt spiegeln sich auch bei den Lehrstellen wider, wobei sich in der bundesweiten Betrachtung ein höchst unterschiedliches Bild ergibt. Über ganz Österreich gesehen, klaffte zuletzt eine deutliche Lehrstellenlücke – allein beim AMS standen 7411 Lehrstellensuchenden nur 4740 sofort verfügbare Lehrstellen zur Verfügung. Die geografischen Problemzonen sind dabei aber in Wien und Westösterreich zu verorten. In der Steiermark ist die Lage eine andere: Beim AMS standen zuletzt 608 Lehrstellensuchende 705 sofort verfügbaren offenen Lehrstellen gegenüber. Die AMS-Zahlen bilden aber nur einen Ausschnitt ab, insgesamt, so Gottfried Krainer, Leiter der Lehrlingsstelle in der steirischen Wirtschaftskammer, „gibt es 2754 offene Lehrstellen bei 1286 Lehrstellensuchenden“. Ein Überhang von 1468 Lehrstellen, „das ist extrem viel, nicht nur für eine Krisenzeit“.

30 Lehrberufe werden allein heuer überarbeitet

Um mit der dualen Ausbildung in Österreich auch zukünftig einen internationalen Standortvorteil aufbieten zu können, werden seit einigen Jahren Berufsbilder adaptiert bzw. völlig neue geschaffen. Laut Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck werden allein heuer 30 Lehrberufe überarbeitet. Gestern ging zudem die Begutachtungsfrist für eine Verordnung zur Novellierung von fünf Berufsbildern zu Ende, die ab 1. Mai in Kraft treten soll. „Dieses Lehrberufspaket ist ein weiterer Schritt, um das duale Ausbildungssystem an aktuelle Herausforderungen in den Bereichen Digitalisierung, Klimaschutz und Nachhaltigkeit anzupassen und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln“, so Schramböck. Neue Berufsbilder erhalten demnach die Lehrberufe Entsorgungs- und Recyclingfachkraft, Medizinproduktekaufmann/-frau, Verpackungstechnik, Systemgastronomiefachkraft sowie Binnenschifffahrt. Um den technischen Lehrberuf Mechatronik weiterzuentwickeln, wird das neue Spezialmodul „Additive Fertigung“ (3D-Druck) eingeführt. „Ich bin überhaupt dafür, diesen modularen Ansatz zu forcieren, um neben der Basisausbildung verschiedene weiterführende Module ergänzend anbieten zu können“, so Schramböck.

Idee einer eigenen Pflegelehrelebt wieder auf

Die Ministerin forciert zudem die Einführung einer Pflegelehre als Ausbildung zur Pflegeassistenz. Der Bedarf ist enorm, das Potenzial auch, so Schramböck. „Wir könnten ein riesiges Problem lösen. Das Angebot ist für Jugendliche und erwachsene Umsteiger gedacht.“ Die Sozialwirtschaft findet die Initiative „prinzipiell interessant“. Walter Marschitz, Geschäftsführer des Verbandes der Sozial- und Gesundheitsunternehmen: „Es kann ein Teil der Lösung sein, nicht die Gesamtlösung. Wir brauchen viele Leute und daher viele Zugänge.“

Corona habe den Pflegenotstand überdeckt, „da Pflegebedürftige wieder mehr im familiären Umfeld betreut wurden“, so Marschitz. Doch werde sich die Not in den kommenden Jahren verschärfen. „Daher ist es wichtig, dass Ausbildungswege, vor allem neue, in den Gesamtkontext passen und etwa eine Pflegelehre nicht ein neues Berufsbild schafft. Sonst wird es Stückwerk. Wir brauchen einen Personalplan.“ Für Umsteiger gebe es Joboffensiven etwa des AMS, erinnert Marschitz. Weiters laufen mit berufsbildenden höheren Schulen Pilotmodelle. Mit Matura plus Pflegeausbildung bilden sie die Brücke zu Uni und FH. „Ohne den ausländischen Arbeitsmarkt werden wir den Bedarf nicht decken können“, sagt Marschitz. „Wir brauchen systematische Ausbildungskooperationen.“ Die Zahl der Beschäftigten im Alten- und Pflegeheimbereich hat sich zwischen 2008 und 2019 um 58 Prozent erhöht. „Wir haben es geschafft, in den letzten Jahren viele Leute zu rekrutieren. Aber es sind noch viel zu wenige.“