Die erste Nacht als Slalom-Vizeweltmeister, nach einem spannenden, denkwürdigen Rennen, ist vorüber. Wie war sie denn?
Adrian Pertl:
Ganz gut, Danke. Ich war gestern schon sehr müde, als ich daheim bei meiner Freundin Anna angekommen bin. Deswegen bin ich gleich einmal eingeschlafen, es war eine sehr angenehme Nacht.

Genug Zeit, um zu realisieren, was da passiert ist?
Adrian Pertl: Nein, man braucht schon ein bisserl, bis man das alles realisiert. Bis ich wirklich runtergekommen bin, wird es noch ein paar Tage dauern. Was ich mitbekommen habe ist, dass daheim alle eine große Freude hatten. Ich hab bei der Heimfahrt nur gesehen, dass schon ein Plakat hängt. Das freut mich wieder, dass ich vielen eine Freude bereitet habe.

Wie schaut's am Handy aus?
Adrian Pertl: Das Handy ist übergegangen. Da sind hunderte Nachrichten eingegangen. Alle haben sich gemeldet, Familie, Freunde ... Alle haben gratuliert, sich mit gefreut und gesagt, was das für ein Nervenkitzel war. Wenn ich das so mitbekomme, bin ich froh, dass ich der Skifahrer bin. Weil den Nervenkitzel als Zuschauer, das wäre nichts für mich. 

Wie hat die Medaille die Nacht verbracht?
Adrian Pertl:Die liegt auf einem Kasterl. Ins Bett hab ich sie nicht mitgenommen.

Machen Sie mit uns eine Reise in die Vergangenheit. Wie wurden Sie zum Skifahrer?
Adrian Pertl: Ich bin von klein auf viel Ski gefahren. Wenn die Eltern arbeiten mussten, dann ist der Opa mit mir gefahren. Es hat mir immer Spaß gemacht, bei den ersten Rennen im Bambini-Cup ist es dann auch gut gelaufen. Wir haben einen kleinen, aber feinen Skiklub im Ort, da leistet Franzi Pertl gute Arbeit als Trainer. Und als dann im Schülercup die ersten Erfolge da waren, musste man sich entscheiden, wie man weiter macht. Ich habe mich für den Weg nach Schladming in die Handelsschule entschieden. Das war perfekt.

Vor zwei Jahren waren sie noch auf FIS-Ebene unterwegs, sozusagen die dritte Rennkategorie. Denkt man da schon einmal nach, wenn man etwa auf den gleichaltrigen Marco Schwarz schaut, der da schon WM-Medaillen gewann? Wird man da frustriert?
Adrian Pertl:
Frustriert nicht, nein. Man ist ja genau so bemüht und will sich für Höheres empfehlen. Aber dann und wann fragt man sich halt: War es das? Ist da noch mehr möglich? Ich habe mich schon öfter gefragt, ob ich gut genug für die Weltspitze bin. Aber ich bin froh, dass ich nicht aufgegeben habe. Man sieht dann, wie schnell es gehen kann. Erst vor eineinhalb Jahren ist mir der erste Sieg auf FIS-Ebene gelungen. Und gestern wurde ich Vizeweltmeister.

Ein guter Zeitpunkt, um zu diesem Tag zurückzukehren. Cheftrainer Andreas Puelacher war verblüfft, wie cool Sie in der Pause zwischen den Läufen waren. Was ist wirklich in Ihnen vorgegangen?
Adrian Pertl: Also, ich war schon sehr überrascht, als nach dem ersten Durchgang der Einser aufgeleuchtet hat. Aber besser so, als langsam, habe ich mir dann gedacht. Und dann habe ich probiert, ruhig zu bleiben, Spaß zu machen. Zum Glück sind die Kollegen auf der lockeren Seite, es tut gut, wenn man da auch andere Themen hat, Gaude hat. Und dann wusste ich: Ich habe nichts zu verlieren, ich muss Vollgas geben.

Sie erwähnten aber die Gedanken, die aufkamen vor der Fahrt. Was lief ab in Ihrem Kopf?
Adrian Pertl: Als Alex Vinatzer gestartet ist, habe ich ihm nachgeschaut. Und das ist eine lange Zeit, man hat die Fahrer ja bis ins Ziel gesehen. Man steht da oben fast zwei Minuten. Da kommt dann der Gedanke daran, was man gewinnen könnte. Und auch der, was man verlieren könnte ... Zum Glück hab' ich das dann ausgeblendet.

Gibt es eigentlich eine Sache, die Sie verändert haben, einen Moment, von dem an es bergauf ging?
Adrian Pertl: Ich habe im Europacup sehr lange gekämpft, dass ich mich für einen zweiten Lauf qualifiziere, in die Top 30 komme. Dann, vergangene Saison, also im Herbst 2019, ist es im November schon im Training gut gelaufen. Und ich wurde 14. bei einem Europacup-Rennen. Das war für mich ein Highlight, weil das hatte ich davor noch nie zusammengebracht. Und dann ist es Schritt für Schritt gegangen. Zunächst die ersten Weltcup-Einsätze, wo ich immer knapp an der Qualifikation gescheitert bin. Und dann kam Kitzbühel und Platz acht - und es lief richtig.

Was war der Knackpunkt?
Adrian Pertl:Wenn ich das wirklich wüsste, dann hätte ich es vorher auch schon gemacht. Probiert hätte ich es vorher ja auch schon. Vielleicht hat sich im Kopf ein Schalter umgelegt, als es das erste Mal geklappt hat. Weil ich dann gewusst habe, dass ich vorne mitfahren kann.

Was hat eigentlich Manfred Pranger, Weltmeister von 2009, mit Ihrem Sieg zu tun?
Adrian Pertl:Manni hilft uns bei meiner Skifirma (Völkl, Anm.) Er gibt uns wichtige Tipps. Ich kann mich noch erinnern, wie er auf einmal vor mir stand. Ein Weltmeister! Da schluckst du als Junger schon einmal. Aber er ist ein super Typ und von Anfang an so mit mir umgegangen, als ob wir uns schon lange kennen. Nur sein Startritual von früher, das habe ich mir nicht abgeschaut.

Jetzt, wo Sie Vizeweltmeister sind - wohin soll die Reise gehen?
Adrian Pertl: Das Rennen hilft mir sicherlich weiter, ich weiß jetzt, wie das ist, wenn man Druck aushalten muss, wie es ist, als Führender in einen zweiten Lauf zu gehen. Ich habe mich auch gefestigt mit der Startnummer in der zweiten Startgruppe, ich kann locker drauflos fahren. Aber ganz ehrlich: Die Saison ist schon zufriedenstellend für mich. Ich hab im Herbst nicht genau gewusst, wo ich stehe. Und jetzt bin ich in den Top 15. Was noch fehlt: Der Riesentorlauf, da habe ich mich leider erst einmal für Lauf zwei qualifiziert. Aber vielleicht wird es ja schon dieses Wochenende in Bansko besser.

Ganz zum Schluss: Wir wissen aus Ihrem Videoporträt, dass sie gerne Rad fahren, Trial fahren. Was darf man noch wissen?
Adrian Pertl: Auch durch unsere Trainingsgruppe ist ein Tennis-Boom gegangen. Ich habe mir im Sommer da auch ein paar Duelle mit Marco Schwarz geliefert. Und sonst? Ja, manchmal schau ich mir ein paar Serien oder Filme an via Netflix. Viel mehr muss man nicht wissen.