Er wirkt entspannt, richtig locker. Er ist nicht mehr der Außer-Atem-Racer, der im Ziel wieder einmal erklären muss, warum er der Schnellste war. „Ich bin tatsächlich ganz ruhig“, sagt Marcel Hirscher, der nach dem Motorrad-Unfall wieder fest auf beiden Beinen steht, und noch fester in seinem nächsten Leben. Denn das beginnt jetzt, nein, eigentlich steht er schon mittendrin. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen und der Schritt zurück in die seit 2019 bis auf einige ausgewählte Momente von ihm gemiedene Öffentlichkeit ist kein Wagnis mehr, dessen ist sich der Perfektionist voll bewusst.

Doch eine Herzensangelegenheit musste Hirscher noch loswerden, auch um eventuellen Fragen nach seinem Privatleben zuvorzukommen. Denn hier ist es im Gegensatz zu den Abenteuern im Weltcupzirkus nicht so gelaufen, wie es eigentlich geplant war. „Leider“ funktioniere „nicht immer“ alles nach Wunsch“, sagte Hirscher, um sodann seine Frau Laura, von der er sich getrennt hat, verbal zu ehren. Er bedankte sich für „wundervolle“ 13 gemeinsame Jahre. „Mit den beiden Kindern hat sie mir das Größte geschenkt, was man im Leben haben kann.“

Auf der beruflichen Ebene knüpft Hirscher dort an, wo er vor zwei Jahren Halt gemacht hat. Der Salzburger präsentierte im Bründl-Flagshipstore von Kaprun, laut Eigendefinition das stärkste Sporthaus im Alpenraum, seine eigene Skimarke, „Van Deer“, also frei aus dem Niederländisch (die Mutter ist Niederländerin)-Englischen übertragen, „von Hirsch(er)“. Darin stecke seine DNA. „All mein Herzblut“, wie er sagt.

Der 32-Jährige kehrt damit zu seinen Wurzeln zurück mit nagelneuen Brettern, auf denen seine einzigartige Karriere eine standesgemäße Fortsetzung erfahren soll. Nicht er selbst, wie von manchem österreichischen Ski-Fan vielleicht insgeheim erwartet, wird jedoch den aktiven Part übernehmen, das überlässt er ausgewählten Nachfolgern, es könnte auch eine Einzelperson sein. Er habe, sagt er, schon einige ins Auge gefasst, und wenn das Scouting aufgeht wie gedacht, folgt schon in diesem Winter das Outing. Dann soll er geschehen, der 68. Weltcupsieg der Marke Hirscher.

Niemals an ein Comeback gedacht

Ein persönliches Comeback auf den Weltcup-Pisten war ihm nicht in den Sinn gekommen. „Niemals“, darauf legt Hirscher besonderen Wert. Er genoss die bewusst gewählte Freiheit, nicht mehr für die Außenwelt auf Knopfdruck funktionieren zu müssen. „Da bist du in den Tunnel reingefahren und hast nichts mehr gesehen außer Blau und Rot“, die Tore, die ihm die Welt, auch weit abseits von Slalom und Riesentorlauf, eröffneten.

Dennoch ist es ihm nicht möglich, die Schattenseiten durch die schönen, mit Erfolg überhäuften Momente aus dem Weg zu räumen. Was überwiegt, könne er zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Das erste Jahr nach seinem Rücktritt war von völliger Abkapselung geprägt. Hirscher blendete alles aus, was ihn an seine Triumphe erinnerte. Im zweiten Jahr begann der Akt der Versöhnung mit dem Erlebten, gewissermaßen der Friedensschluss, der es ihm nunmehr ermöglicht, auf die alte Laufbahn eine neue anzuhängen.

Er habe seine Karriere ausgereizt. „Ich habe es getan, solange es möglich war.“ Hirscher ging bis an die Grenzen und, auf Nachfrage, „vielleicht“ sogar darüber hinaus.