Am Sonntag jährt sich Ihr Rücktritt. Vermissen Sie den Weltcup schon?
AKSEL LUND SVINDAL: Auf der einen Seite ja – aber nicht die Rennen, sondern das Skifahren. Wenn die Mannschaft im August am Gletscher in Südtirol im Sonnenaufgang trainiert – das ist schon cool. Oder Ende November in Colorado: Da kann man zwei Wochen lang perfekt Abfahrt trainieren.

Aber?
SVINDAL: Auf der anderen Seite war ich mir mit der Entscheidung, aufzuhören zu hundert Prozent sicher. Das ist auch wichtig. Halb-halb geht nicht. Man muss mit sich im Reinen sein. Nur so kann man gute Entscheidungen treffen. Gerade wenn man wie ich die letzten Jahre immer ein bisschen verletzt war, ist das für den Körper schwierig. Und wenn es für den Körper schwierig ist, wird es auch für den Kopf schwierig.

In Österreich hat der Abgang von Marcel Hirscher ein tiefes Loch gerissen. Norwegen dagegen scheint kein Nachwuchsproblem zu haben.
SVINDAL: Wir haben schon eines gehabt – und das klingt jetzt blöd, aber – bis ich gekommen bin. Es gab Lasse Kjus, Kjetil Andre Aamodt – dann war wenig da.

Woran ist das gelegen?
SVINDAL: Auch ich hatte nie Kontakt mit der Weltcupmannschaft, bis ich selbst im Weltcup gestartet bin. Ich habe nicht mit ihnen trainiert, wusste nicht, wie und welches Material sie fahren. Jetzt haben wir in Norwegen ein System, das viel offener ist. Die Jungen wissen genau, was die Arrivierten alles machen. Man kennt sich vom Training mit dem Nachwuchs. Die Stiege in den Weltcup ist dann niedriger.

Besser als im ÖSV?
SVINDAL: Ich glaube, dass unser System den Schritt in den Weltcup nicht so groß macht. Und es hilft auch, dass wir Spaß in der Mannschaft haben.

Wie sehen Sie die Entwicklung im Weltcup? Immer wieder gibt es Kritik an einem zu dichten Terminkalender beziehungsweise Rennen, die nur wenige Zuschauer interessieren.
SVINDAL: Ein Weltcuprennen ist ein Weltcuprennen, wenn die Weltbesten am Start stehen. Egal ob vor 50.000 Zuschauern oder 500. Die Leistung der Sportler ist die gleiche, weil man sich immer gegen die Besten der Welt durchsetzen muss.

Regelmäßig taucht der Vorschlag auf, die „Klassiker“ zu einer Art „Grand Slam“-´Serie zusammenzufassen.
SVINDAL: Bei den Klassikern sollte man nicht viel herumtricksen. Davon lebt unser Sport. Aber Cityrennen sind auch cool, weil wir nicht immer sagen können, dass die Leute zu uns kommen müssen. Der Sport muss dort hingehen, wo die Leute sind. Die Frage ist aber, wie viel man wovon macht und ob es ok ist, dass das alles zum Gesamtweltcup zählt, weil man dann plötzlich drei Viertel Technikrennen hat und nur ein Viertel Abfahrten. So ist der Gesamtweltcup nicht mehr das, was er früher einmal war. Umgekehrt ist es, aber auch dumm zu sagen, wir können keine Cityevents machen, weil es für den Gesamtweltcup nicht fair ist.

Ihre Lösung?
SVINDAL: Für mich sollten die Klassiker und der klassische Weltcup bleiben. Aber man kann Showrennen in Städten machen mit gutem Preisgeld – das könnte sich die FIS leisten – , aber keinen Punkten für den Gesamtweltcup. Auch könnte man sich überlegen, rund um Weihnachten eher technische Disziplinen statt Abfahrten anzusetzen, in Skigebieten wo schon skibegeistertes Publikum da ist. Die Slaloms kann man auch bei Flutlicht fahren, für Abfahrten braucht man Tageslicht.

Angesichts von schweren Verletzungen heißt es immer wieder, die Strecken seien zu hart, das Material zu aggressiv. Richtig?
SVINDAL: Schwierig. Man braucht einen entsprechend harten Ski, eine Bindung, die hält und einen Schuh, der steif ist, damit man auf diesen Pisten fahren kann. Das sind aber genau die Eigenschaften, die auch mehr Verletzungen bringen. Man kann das mit der Formel 1 vergleichen: Es funktioniert perfekt, solange es gut geht. Aber wenn es nicht perfekt geht, fliegt man mit einer brutalen Geschwindigkeit in die Leitplanken oder Netze.

Was haben Sie vom Sport für das Leben danach gelernt?
SVINDAL: Dass man fleißig arbeiten muss, ein bisserl Glück braucht und Dinge machen sollte, wo man einen Punch hat und richtig Gas geben kann. Als Sportler konnte ich mich nicht verstecken, weil immer Medien dabei sind. Da muss man authentisch und bei sich sein. Deshalb ist der Sport sehr ehrlich. Davon könnten Politiker und Manager ein bisschen lernen, weil zwei plus zwei muss im Sport immer vier sein. Politik ist da genau das Gegenteil (lacht).

Was machen Sie jetzt?
SVINDAL: Ich habe in mehreren Start-ups investiert, unterstütze eine Bekleidungs- und meine ehemalige Skifirma in der Entwicklung. Im November erscheint ein Buch von mir.

Schaffen Sie es, Ihre Leidenschaft für das Skifahren in diesen Alltag umzumünzen?
SVINDAL: Ein bisserl funktioniert es (lacht). Performance ist immer cool.