Wenn Aleksander Aamodt Kilde im Starthaus erscheint, heißt es im TV-Kommentator immer: "Da kommt Mr. Oberschenkel". Der 27-Jährige gilt als Kraftpaket im Weltcup. "Ja, dieses Image habe ich einmal. Aber ganz ehrlich: Es gefällt mir auch. Obwohl ich weiß, dass da auch noch andere im Zirkus sind, die ziemlich viel Kraft haben."  Intern, im norwegischen Team, gilt Kilde aber als Messlatte. Nach dem Abgang von Aksel Lund Svindal ist es für Kilde aber auch an der Zeit, auf den Pisten zur Messlatte zu werden.

Bei den Rennen in den USA ließ er sein Können schon aufblitzen, trotz Magen-Darm-Grippe in Lake Louise fuhr er in Beaver Creek im Super-G schon auf Platz zwei. Und, wenn das Wetter mitspielt, darf man davon ausgehen, dass er dieses Wochenende auf mehr spitzt: In Gröden feierte er im Vorjahr seinen einzigen Sieg seit 2016, in der Abfahrt. An dem Ort, der den Norwegern immer besonders liegt, seit 2012 hat zumindest eines der beiden Rennen immer ein Norweger gewonnen.

Wechsel zurück zu den Wurzeln

Für Kilde ist es keine Überraschung, dass er wieder ganz vorne mitfährt. Verantwortlich dafür ist für ihn ein Markenwechsel, zurück zu den Wurzeln, zu Atomic. "Ich bin vor zwei Jahren zu Head gegangen, um zu sehen, ob ich wirklich am richtigen Platz war. Und das zweite Jahr war auch O. K. Aber man hat gefragt, ob ich nicht wieder zurück will. Da habe ich die Ski probiert. Und ganz ehrlich: Es war wie Heimkommen." Kilde sagte schon im Oktober: "Ich fühle mich stark!" Und das ist für die Konkurrenz meist kein gutes Zeichen, wenn ein Norweger das sagt. 

Dabei hat es bei den "Attacking Vikings", wie sie sich selbst nennen, nach dem Abgang von Svindal viele Änderungen gegeben. Denn auch der steirische Cheftrainer Christian Mitter ging im Frühjahr. "Ganz ehrlich, das war hart für mich. Er war zehn, elf Jahre mein Trainer, ich habe so einen Menschen verloren, mit dem ich über so vieles sprechen konnte." Aber, Neues sei wichtig - und die Norweger leben einen Grundsatz im Skiteam: "Die Kultur steht über der Person. Und es kann auch gut sein, etwas Neues einzubringen." Das muss auch Kilde selbst, denn mit 27 hat er nun im Team zusammen mit Kjetil Jansrud die Führungsrolle übernommen.

Fokus auf viele Disziplinen

Eines hat sich nicht geändert: Kilde will, wie Svindal lange Zeit, so viele Disziplinen wie möglich fahren. "Wir Norweger waren eben immer echte Allrounder", sagt er. Und ergänzt: "Mein Fokus im Training war immer der Riesentorlauf. Weil wenn du den Schwung beherrscht, kannst du ihn auch im Super-G und in der Abfahrt." Und nicht zuletzt hat er ein großes Ziel: "Ich will den Gesamtweltcup schon auch einmal gewinnen. Deswegen probiere ich es auch weiter, ihn im Weltcup zu fahren, dann hast du vier, vielleicht fünf Disziplinen. Und klar ist: Wenn du keine Weltcuppunkte im Riesentorlauf machst, wird es schwierig, den Weltcup zu holen." Solange Kilde in den Speedbewerben seinen "Standard" halten kann, wird er auch Allrounder bleiben: "So lang werde ich im RTL auch loshämmern!"

Das Vakuum an der Spitze

Kilde fühlt sich bereit, ganz an die Spitze zu treten. "Man hat es schon letztes Jahr gesehen: Es kommen neue Gesichter, auch wenn Hirscher und Paris letztlich dominiert haben. Aber es liegt an den Jungen, jetzt wirklich zu gewinnen und die Arbeit von Aksel oder Marcel weiterzuführen." Und er? "Würde ich sagen, dass ich nicht bereit bin, wäre das zu passiv. Es sind große Fußstapfen - aber ich bin zumindest bereit, in die Richtung zu gehen, Verantwortung zu übernehmen. Für mich und meine Entwicklung, aber auch für den Sport."

Dass er im norwegischen Team Jansrud zur Seite stehen muss, ist dem dreimaligen Weltcupsieger klar: "Wir sind so ein kleines Team, wenn wir jetzt da wären und denken, dass wir Aksel brauche, um erfolgreich zu sein, dann wird es kein gutes Ende nehmen. Wir haben ja noch Kjetil - und ich habe auch schon Erfahrung. Und jetzt kommen ja viele Junge nach! Wir müssen einfach weitermachen, die Kultur weiterführen." Um eine kleine Spitze auszuteilen: "Klar, wir haben Henrik Kristoffersen, der immer liefert. Aber wenn jeder nur für sich arbeitet, dann wird es schwierig. . ."

Kurzfassung: Kilde ist bereit für den "Oberelch": "Ich habe ja die beiden großen Elche Aksel und Kjetil jetzt sieben Jahre beobachtet. Es ist Zeit für mich, den Platz einzunehmen. Und wenn ich das mache, heißt das, darauf zu achten, dass das Training gut ist und wir eine gute Zeit haben, wenn wir reisen." Dazu gibt es ja nach wie vor Rat und Hilfe von Svindal: "Wir telefonieren hin und wieder, gehen auch Essen. Wir sind durch das viele Reisen einfach Freunde geworden. Und er ist ja zurück nach Norwegen gekommen, hat sich ein Haus gekauft. Ganz nahe dort, wo ich herkomme."