Das kleine Slowenien (20.723 Quadratkilometer/2,081 Millionen Einwohner) erlebt derzeit in Paris sonnigere Tage als Österreich (83.882/8,859). Während sich die Alpenrepublik noch vom Schock der Erstrunden-Niederlage Dominic Thiems erholt, feiern unsere südöstlichen Nachbarn dank Tamara Zidansek die erste Grand-Slam-Halbfinalistin ihrer Landesgeschichte. Zwar kommt die French-Open-Siegerin 1977, Mima Jausovec, aus Maribor, doch gewann sie damals noch unter jugoslawischer Flagge. Bittere Randnotiz: Von der Österreicherinnen schaffte es einmal mehr keine Spielerin in den Hauptbewerb.

Zidansek befindet sich an der Seine im sogenannten Flow. Zu Deutsch: Sie hat einen Lauf. Einen Unglaublichen obendrein. Hatte es die 23-Jährige bis dato in Roland Garros noch nie in die zweite und bei keinem der vier Majors jemals in die dritte Runde geschafft, so eilt die Nummer 85 der Weltrangliste nun von Sieg zu Sieg. Auch die ebenfalls überraschend im Viertelfinale stehenden Spanierin Paula Badosa konnte die in Postojna geborene und in Doha residierende Slowenin nicht stoppen und musste eine hauchdünne 5:7, 6:4, 6:8-Niederlage zur Kenntnis nehmen. „Der Erstrundensieg war ein großer Durchbruch für mich“, erzählte Zidansek in der anschließenden Online-Pressekonferenz. „Das hat mir extrem viel Selbstvertrauen gegeben. Wann es ,klick’ gemacht hat, weiß ich nicht. Jeder Tag ist ein Kapitel für sich und ich will einfach so weitermachen.“

Etwas dagegen haben dürfte allerdings ihre Halbfinalgegnerin Anastasia Pawljutschenkowa. Die 29-jährige Russin schaffte es mit einem hart umkämpften 6:7, 6:2, 9:7 über ihre Doppelpartnerin und Williams-Bezwingerin Jelena Rybakina ebenfalls erstmals in die Vorschlussrunde und erlebt damit ihren zweiten Tennisfrühling. Zuvor war sie bereits sechs Mal in einem Grand-Slam-Viertelfinale gescheitert.

Zidansek und Pawljutschenkowa schließen mit ihren Erfolgen an die in Paris bereits zur Tradition gewordenen Überraschungsspielerinnen an. 2020 triumphierte die ungesetzte Polin Iga Swiatek, die heute als letzte Vertreterin der Top zehn im Viertelfinale auf Maria Sakkari trifft. Zudem hatte vergangenes Jahr Nadia Podoroska als erste Qualifikantin der French-Open-Historie das Halbfinale erreicht. 2019 schaffte es die ungesetzte Tschechin Marketa Vondrousova ins Finale, die ebenfalls ungesetzte Amanda Anisimova bis ins Halbfinale. Und 2018 triumphierte die ebenfalls ungesetzte Jelena Ostapenko.