Bestens gelaunt, wenngleich noch etwas verschlafen, betraten die ÖFB-Teamspieler am Montag um 11 Uhr den Trainingsplatz in Seefeld. Zehn Stunden zuvor waren sie aus Bukarest kommend ins Mannschaftshotel in Mösern zurückgekehrt, aßen noch eine Kleinigkeit und gingen sodann ins Bett. Aleksandar Dragovic zog sich nach einem Ellbogenschlag des Nordmazedoniers Trajkovski eine doppelte Rissquetschwunde unter dem rechten Auge zu und musste genäht werden, machte aber wie alle Spieler, die zumindest 45 Minuten zum Einsatz kamen, eine regenerative Einheit. Nach dem Mittagessen bekamen die Spieler bis zum Abend frei.

ÖFB-Teamchef Franco Foda beschäftigte sich mit seinen Trainern und Spezialisten bereits mit der Videoanalyse für das kommende Spiel am Donnerstag (21 Uhr) in Amsterdam gegen die Niederlande. „Der Matchplan von Franco Foda ist sehr gut aufgegangen“, sagt Kleine-Zeitung-Experte Philipp Semlic. „Er hat viele überrascht mit seiner 3-5-2-Formation. Fast alle haben ein 4-2-3-1 erwartet. David Alaba kann im zentralen Abwehrbereich viele seiner Stärken einbringen. Dort hat er das Spiel permanent vor sich und ist in der letzten Linie der Spielgestalter. Diese Position ist auf ihn zugeschnitten. Dort war er beim FC Bayern Weltklasse und da ist er auch bei uns ein Schlüsselspieler.“

Vor allem dieser Überraschungseffekt machte sich bezahlt. Foda plante mit Alaba schon länger auf dieser Position. Zur Umsetzung kam es in den drei WM-Qualifikationsspielen im März aufgrund vieler Ausfälle nicht. Alaba sprang da mangels Alternativen in einer offensiveren Rolle ein. Als es beim Stand von 1:1 gegen Nordmazedonien notwendig war, schaltete sich Alaba genau dort verstärkt ein. Im Stile eines echten Führungsspielers bereitete der Kapitän das 2:1 durch Michael Gregoritsch vor.

Nicht nur im Fall Alaba richtete der Teamchef seinen Fokus wie angekündigt voll auf die Auftaktpartie. Foda schonte die überspielten Stefan Lainer und Xaver Schlager im Testspiel gegen die Slowakei, das eine Woche zuvor mit einem torlosen Remis geendet hatte. Das Duo tankte damit die bitternotwendige Kraft. Lainer zahlte es mit einer bärenstarken Leistung auf der rechten Seite gegen die Nordmazedonier und dem so wichtigen Tor zum 1:0 zurück. Schlager rackerte unermüdlich im zentralen Mittelfeld. Der Wolfsburg-Legionär stopfte viele Löcher und verhinderte somit, dass Napoli-Jungstar Eljif Elmas gerade bei Umschaltmomenten zur Entfaltung kommen konnte. „Nordmazedonien ist nie großartig gefährlich geworden. Das Gegentor ist aus einer Unachtsamkeit entstanden. Im Großteil des Spiels hatten die Österreicher eine Dominanz im Ballbesitz, wenngleich es mehr zielstrebige Torchancen gebraucht hätte.“

Einen entscheidenden Anteil am eingefahrenen Sieg hatten zwei Joker. Neben Michael Gregoritsch (siehe Seite 4/5, 10) trug sich auch Marko Arnautovic in die EM-Torschützen-Annalen ein. Der Offensiv-Ausnahmekönner zeigte sich wenig begeistert darüber, dass er zu Beginn auf der Ersatzbank Platz nehmen musste. Franco Foda sieht das als „gutes Zeichen, weil Marko immer brennt und immer spielen will“. Der Teamchef bewies auch hier das richtige Händchen. Der Plan, Arnautovic von der Bank zu bringen, ging voll auf. Nach einer Verletzung ist der Wiener noch nicht bei 100 Prozent angelangt. Auch hier benötigt es Fingerspitzengefühl, um einen längeren Ausfall zu verhindern, aber das ÖFB-Spiel ist mit der nötigen Dosis Arnautovic zu würzen, um erfolgreich zu sein.

Als der 32-Jährige den Treffer zum 3:1 erzielte, zeigte sich der China-Legionär sehr emotional. Bei einem Wortgefecht mit Ezgjan Alioski soll es auf beiden Seiten heiß hergegangen sein. Sogar zu rassistischen Vorwürfen soll es gekommen sein. „Ich bin kein Rassist und werde auch niemals einer sein. Das war ein Wortgefecht, bei dem sehr viele Emotionen im Spiel waren. Dafür entschuldige ich mich. Das tut mir leid“, sagt Arnautovic dazu.

Heute bestreiten die Österreicher noch ein Training in Seefeld, bevor am Mittwoch der Abflug nach Amsterdam erfolgt. „Das wird ein ganz anderes Spiel. Da wird Österreich viel in der Abwehrphase sein und gegen den Ball arbeiten müssen“, sagt Semlic. Ziemlich sicher wird es wieder zu Änderungen in der Startelf kommen – eventuell auch in der Formation, um wie gegen Nordmazedonien die passenden Antworten auf die Stärken des Gegners parat zu haben. Wackelkandidaten gibt es auf jeden Fall einige. Sasa Kalajdzic gelang es im dritten Spiel in Folge nicht, sich zu beweisen. Der 23-Jährige strahlte absolut keine Torgefahr aus und konnte auch fast keinen Ball behaupten.

Dazu wirkte auch Andreas Ulmer wiederholt auf verlorenem Posten. In der Defensive führte ein grober Stellungsfehler des Routiniers zur einzigen gefährlichen Chance der Nordmazedonier. Offensiv fehlte viel zu oft die Präzision. Dazu spricht die kurze Regenerationspause gegen den 35-Jährigen. Auch von Martin Hinteregger darf deutlich mehr erwartet werden. Neben Alaba gaben auch die Abwehrkollegen Dragovic und Philipp Lienhart eine klar bessere Figur als der Kärntner ab.