70 Prozent der Erde sind vom Wasser abgedeckt, der Rest von N’Golo Kante. Diese Theorie mag wissenschaftlich so belegbar sein, wie jene, die Erde sei eine Scheibe. Doch jeder, der das Champions-League-Finale zwischen dem siegreichen Chelsea und Manchester City gesehen hat, würde sie wohl ohne zu überdenken abnicken.

Der 30-jährige Franzose war am Feld einmal mehr überall dort, wo er eigentlich gar nicht sein konnte, weil er doch gerade noch woanders gewesen war. „Er ist der Schlüssel zu allem, er ist zwei Spieler in einem“, sagte sein Trainer Thomas Tuchel einmal. Schon in den beiden Halbfinali gegen Real Madrid wurde der Mittelfeldspieler jeweils zum „Man of the Match“ gekürt, nun auch im Endspiel.

Unangenehm, ja nahezu peinlich scheint es Kante zu sein, wenn er diese Ehrungen entgegennehmen muss. Auch, wenn er dabei immer ein Lächeln im Gesicht trägt. Er, der von vielen Experten als bester Sechser der Welt bezeichnet wird, ist wohl zugleich auch der introvertierteste und bescheidenste Fußball-Profi dieser Zeit. In den "Football Leaks"-Enthüllungen tauchte sein Name nur deshalb auf, weil er sein Gehalt nicht von einem Offshore-Konto überwiesen bekommen wollte. „Er ist klein, er ist nett, er hat Leo Messi gestoppt“, widmeten ihm seine Kollegen der „Equipe Tricolore“ einmal ein Lied, welches zugegebenermaßen auf Französisch besser klingt. „Sogar meine Mutter mag ihn, obwohl sie ihn gar nicht kennt“, sagte Tuchel unlängst.

Wo der 1,68 m große Kante seine Trophäen verstaut, ist sein Geheimnis. Mit Sicherheit aber nicht in seinem Mini Cooper, mit dem er zum Staunen der Chelsea-Fans von und zur Stamford Bridge ab- und anreist. Während seine Mitspieler in Blau am Samstag einer nach dem anderen die CL-Trophäe abgebusserlt haben, hat Kante diese gerade einmal unsicher gestreichelt. Aber vielleicht ja auch schlicht ob der Corona-Nonkonformität des Tuns seiner Vorgänger.

Als Kind wollte Kante, der mit acht Geschwistern aufwuchs und mit elf Jahren seinen Vater verlor, Forscher werden, mit 21 jobbte er als Buchhalter, während er im Amateurbereich kickte. 2015 verließ er Frankreich für eine läppische Ablösesumme in Richtung Leicester City. Dort schrieb er in seinem ersten Jahr auf der Insel ein Meister-Märchen und arbeitet seitdem an seinem eigenen. 2018 wurde er Weltmeister, 2019 holte er die Europa League, jetzt die Königsklasse. Im Sommer wartet die Europameisterschaft, Frankreich gilt als Favorit. Auch dank N’Golo Kante.