Zwei englische Mannschaften machen sich heute Abend den Champions-League-Titel untereinander aus. Und damit auch zwei Trainer, die den Fußball zumindest im vergangenen Jahrzehnt in vielerlei Hinsicht prägten: Der Katalane Pep Guardiola und der Deutsche Thomas Tuchel gelten als Trainer-Genies. Und sie verstehen einander auch bestens. Ein Mann kennt die beiden Lenker an der Seitenlinie bestens: Michael Reschke (63). Der Deutsche ist aktuell „Head of European Football“ bei der mächtigen Berateragentur ICM Stellar. Seit rund 40 Jahren ist er im Spitzenfußball in Top-Positionen, u. a. bei Leverkusen, Stuttgart und Schalke, tätig. Zwischen 2014 und 2017 war Reschke Technischer Direktor beim FC Bayern.

„Zwischen Pep und mir hat sofort die Chemie gestimmt. Wir haben uns über viele Bundesliga-Themen ausgetauscht: besonders über Spieler, aber eben auch über andere Trainer. Er hatte mit mir immer sehr wertschätzend über Thomas Tuchel gesprochen“, erinnert sich der Fußballexperte zurück: „Bayern hat unter Pep viele Spiele deutlich gewonnen, einige Teams haben sozusagen den Bus vor dem eigenen Tor geparkt, um möglichst wenig Gegentreffer zu kassieren. Dass ein Trainer, eben Thomas Tuchel, einer kleineren Bundesliga-Mannschaft wie Mainz mit einem schlauen Plan versucht hat, gegen Bayern zu gewinnen, hat Pep imponiert.“

Tuchel hat Guardiola studiert

Reschke hat Tuchels Trainer-Werdegang seit dessen Anfangsjahren in Mainz verfolgt. Er wollte ihn damals auch mal nach Leverkusen holen. Das hat aber nicht geklappt. Trotzdem: Der Kontakt ist nie abgerissen. Deshalb wusste Reschke auch, dass Tuchel ein Bewunderer der Arbeit von Guardiola ist. „Thomas war mehrfach in Barcelona, um Pep zu studieren“, sagt Reschke, dem es schließlich gelang, die beiden 2015 – Tuchel (47) absolvierte damals gerade ein Sabbatjahr – an einen Tisch zu bringen. Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung lässt Reschke die magischen Momente mit den beiden Ausnahme-Trainern beim Abendessen im Münchner Restaurant „Schumann’s“ Revue passieren und verrät, wie beide Trainer ticken. Reschke: „Als ich Pep einmal darüber informierte, dass ich mich abends mit Thomas treffen wollte, war direkt klar für ihn:,Ich bin dabei!‘“ Der mittlerweile durch diverse Erzählungen berühmte Abend nahm seinen Lauf.

Michael Reschke bei einem Testspiel von Schalke im Jahr 2020.
Michael Reschke bei einem Testspiel von Schalke im Jahr 2020. © (c) imago images/RHR-Foto (RHR-FOTO/Tim Rehbein via www.imago-images.de)

„Tuchel hat sich mit Pep über einzelne Spielszenen, die Jahre zurücklagen, unterhalten können. Es war für Pep ein Vergnügen, sich mit Thomas auf Augenhöhe auszutauschen. Er hatte die spannenden Bayern-Spiele gegen Mainz aus der Vorsaison noch gut in Erinnerung und wusste, dass Thomas nicht nur Theoretiker ist“, erinnert sich Reschke: „Plötzlich haben sich die Salz- und Pfefferstreuer im Schumann’s in Messi, Iniesta und Xaviverwandelt, um vergangene Formationen nochmals aufzuzeichnen. Der Abend war unglaublich. Es hatte etwas Fußball-Mystisches. Pep und Thomas waren versunken in ihren Themen. Das habe ich unglaublich genossen. Ich war Zuhörer und Genießer.“

Tuchel als Bayern-Trainer? "Hat nie gepasst"

Tuchel und Guardiola – eine wahnsinnige Wertschätzung, die auf Gegenseitigkeit beruht. Reschke verrät: „Pep war überzeugt: ‚Thomas wäre mein idealer Nachfolger in München.‘ 2015 haben Thomas, Uli Hoeneß und ich im Restaurant Käfers auch einmal ein sehr intensives Gespräch geführt, das Uli gut gefallen hat. Aber zwischen Thomas und Bayern hat es halt zeitlich nie sinnvoll gepasst. Und zuletzt mit Hansi Flick und jetzt mit Julian Nagelsmann hat man ja zwei andere Toptrainer bekommen.“

Wie würde Reschke Tuchel und Guardiola als Trainer beschreiben? „Pep ist eine Idee künstlerischer. Er liebt eine spezielle Form von Spektakel. Ich vergleiche ihn gerne mit Leonard Bernstein bei seinem Wirken als Dirigent des Musicals ,Westside Story‘. Es gibt darüber einen tollen Film. Eine Persönlichkeit voller Wucht, die beeindruckt. Diese Intensität habe ich bei Pep in der Zusammenarbeit mit seinen Spielen auch erlebt“, schwärmt Reschke, der auch Tuchel toll findet: „Thomas ist im Moment für mich etwas mehr Pragmatiker. Klar, er will auch das Besondere im Spiel machen. Er ist wie ein Filmregisseur, der versucht, einen Plot zu kreieren. Der Fußball von Thomas ist aktuell eine Mischung aus Angriffspressing und defensiver Stabilität.“

Seinen Tipp für das Champions-League-Finale möchte Reschke nicht nennen, er betont aber: „Ich mag beide Trainer sehr gerne, würde mich für beide freuen. Aber mit Pep habe ich zwei Jahre zusammengearbeitet. Das war für mich die prägendste Zeit, die ich im Fußball erlebt habe.“