Oben am Zürichberg erhebt sich ein opulenter Bau, der Hauptsitz der FIFA, das um fast 200 Millionen Euro errichtete Quartier für die große Familie des Weltfußballs, von der Gianni Infantino so gerne schwärmt. Inzwischen ist das einst hochmoderne Klublokal des Weltverbandes auch schon wieder in die Jahre gekommen, 15 sind es. Vielleicht ist es dem FIFA-Präsidenten aber auch im Schweizer Winter zu kalt geworden.

Denn seit Oktober lebt der nicht unter dem Verdacht unnötiger Bescheidenheit stehende 51-jährige Spitzenfunktionär samt seiner eigenen Familie im heimeligen Katar, dort, wo Ende dieses Jahres die Weltmeisterschaft ablaufen wird. Daran besteht mittlerweile ungeachtet der Kritik längst kein Zweifel mehr.

Dass dieses Turnier angesichts von Tausenden toten Arbeitsmigranten (wie es von Amnesty International aufgedeckt wurde) im WM-Veranstalterland und einer von Beginn an mit Korruption in Verbindung stehenden Vergabe den skandalumwitterten Ruf nicht mehr loswerden wird, scheint Infantino nicht zu stören. An die große Glocke hängen wollte der Schweizer aus dem Wallis seinen Umzug aber auch wieder nicht, schließlich könnte ja doch angesichts einer schon auffälligen Nähe zum Emirat die verzerrte Optik noch schiefer werden.

Dachte er vielleicht, er könnte in der Wüste auch den Informationsfluss in seine Richtung zum Versiegen bringen? Es wäre die Spitze einer Lieblingsdisziplin seines Betriebs, nämlich der Intransparenz. Doch inzwischen wurde der neue Lebensmittelpunkt nach einem Bericht des Schweizer „Sonntagsblick“ bestätigt, freilich mit Einschränkungen. Er wolle „die WM enger begleiten und seine präsidialen Pflichten neben Zürich vermehrt auch von Doha und anderen Standorten der Welt aus wahrnehmen“, wurde mitgeteilt. Der Boss verbringe noch immer die Hälfte seiner Arbeitszeit in Zürich und zahle weiterhin seine Steuern im Reich der Eidgenossen.

Nabel der Fußballwelt

Infantino hatte schon seit jeher einen Hang zum steinreichen Emirat und nützt jede Gelegenheit, sich mit den Scheichs zu zeigen. „Was ich gehört habe, wäre erklärbar mit den zahlreichen Veranstaltungen, die in dieser Gegend stattfinden“, meint dazu ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer. Tatsächlich scheint der Raum derzeit der Nabel des Fußballs zu sein. Eben erst ging im vergangenen Dezember in Doha und Umgebung der in Mitteleuropa weitgehend unbeachtet gebliebene, aber groß aufgezogene FIFA-Arabien-Cup über die Bühne, im Februar steigt in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Klub-Weltmeisterschaft. Und stets mittendrin statt nur dabei: Gianni Infantino.

Zu Hause in der Schweiz ist es für den umtriebigen Präsidenten auch schon etwas ungemütlich geworden. Schließlich läuft seit geraumer Zeit ein Strafverfahren gegen den FIFA-Chef. Er hat sich wiederholt höchst diskret mit dem einstigen, inzwischen ebenfalls in Misskredit geratenen und auf Druck zurückgetretenen ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber getroffen. Dieser hatte eigentlich gegen die FIFA ermittelt und war mit dem Abgang lediglich einem Amtsenthebungsverfahren zuvorgekommen, denn auch Lauber selbst geriet ins Visier der Justiz.

Infantino kann es sich derweil in Katar gut gehen lassen und von Doha aus weiterhin seine in Europa und Südamerika heftig kritisierten Pläne zu einer WM im Zweijahresrhythmus schmieden. Bis zur heurigen Weltmeisterschaft in seiner Wahlheimat, die am 21. November angepfiffen wird, ist ja noch etwas Zeit.