Portugal hat Cristiano Ronaldo, Polen hat Robert Lewandowski, Wales hat Gareth Bale - und Österreich? Ja, auch das rot-weiß-rote Nationalteam verfügt über einen Ausnahmekönner, denn diese Zuschreibung ist gewiss zutreffend auf Marko Arnautovic. Aber ist dieser Mann, der kurzzeitig wieder zum "Enfant terrible" wurde, tatsächlich in der Lage, zum Retter der Fußballnation aufzusteigen? Und gehören die überragenden Auftritte des mittlerweile 32-Jährigen in der Nationalmannschaft zum Regelfall oder sind sie doch eher die Ausnahme?

Um einer Antwort auf diese Frage einen fundierten Hintergrund zu verleihen, bedarf es eines Blicks auf die Faktenlage. In der Ära des Teamchefs Franco Foda hat Arnautovic 23 Länderspiele bestritten, 13 hat der China-Legionär aus unterschiedlichen Gründen verpasst. Auf das Konto des Wieners gehen in diesem Zeitraum 11 Tore, sechs gelangen in der EM-Qualifikation, je eines steht aus der Nations League und mit dem folgenschweren Treffer zum 3:1 gegen Nordmazedonien von der EM-Endrunde zu Buche. Drei Tore entstammen freundschaftlichen Länderspielen.

Seit dem 16. November 2019, also in den vergangenen eineinhalb Jahren, konnte Arnautovic im Nationalteam exakt einmal, beim 1:1 gegen Norwegen, über die volle Distanz sein Können zur Schau stellen. Dazu kamen drei weitere Auftritte über jeweils ungefähr ein Drittel der Spielzeit. In diesem Zusammenhang von einer fetten Bilanz zu sprechen, wäre wohl eher eine Übertreibung. Und auch bei den aktiven Spielen kamen seine Fähigkeiten bestenfalls vier-, fünfmal zeitflächendeckend zum Vorschein. Der Rest war, zwar auf hohem Niveau, aber doch eher Stückwerk. 

Heiß auf das Match

Und nun soll eben dieser Marko Arnautovic, der noch nie bei einem Topklub gespielt und physisch gesehen seine besten Jahre lange hinter sich hat, dazu auserkoren sein, dem österreichischen Team bei dieser Europameisterschaft jenen Esprit, aber vor allem das erforderliche Maß an Weltklasse zu verleihen, das die Nationalmannschaft dazu ermuntert, mit einem Sieg über die Ukraine ins Achtelfinale einzuziehen. Jener Sohn eines Serben und einer Wienerin, der schon bei einer gelungenen Kurzdarbietung die Fassung verliert. Gerade gegen die Niederlande hätte er den Beweis schon erbringen können.

Die Schlagzeilen und Berichte über das Ereignis der Gruppenphase aus österreichischer Sicht füllen mittlerweile Bände, die Sammlung über einige in wenigen Sekunden gefallenen Worte sind bei vermutlich gar nicht zu harter Beurteilung umfangreicher als die Großtaten.

Aber Arnautovic ist extrem heiß auf dieses Match, das kann bei einem solchen Spielertypen schon ausreichen, um den Unterschied zwischen Sein und Nichtsein zu erwirken. Er verfügt über jene mentale und spielerische Stärke, die auch die vom Amsterdamer Match wohl etwas mitgenommenen Kollegen mitreißen kann. Sein junger Kollege Christoph Baumgartner glaubt zu wissen, woran das liegt. „Marko ist ein echter Straßenfußballer. Dort gilt das Motto: Wer verliert, muss vom Platz gehen. Und Marko will definitiv nicht vom Platz gehen.“

Baumgartner kommt ins Schwärmen

Durch die Sperre für ein Spiel ist das Thema der Woche erledigt. Arnautovic hat sich wiederholt entschuldigt, das Geschehene ging ihm hörbar nahe. Die zarte Saite seines Gemüts hat er erst kürzlich erkennen lassen, als er bei der Frage nach der Trennung von seinen Kindern die Tränen nicht mehr zurückhalten hatte können. Franco Foda hat dem Nationalteam schon gleich nach Bekanntwerden des Urteils unter besonderer Erwähnung des Wunderknaben Mut zugesprochen. "Er wird gegen die Ukraine zeigen, wie wichtig er für unsere Mannschaft ist."

Baumgartner wird bei Arnautovic noch wesentlich detailreicher. "Dass Marko enorme Qualität hat, ist unbestritten. Die Vielseitigkeit zeichnet ihn aus. Er ist sehr gut in 1:1-Situationen und kann drei Gegenspieler abwehren. Einen hält er mit der Hand weg, dem zweiten hält er den Hintern hin und den dritten schaltet er mit den Füßen aus." 

Der Hoffenheim-Legionär lobt die Kombinationsgabe seines prominenten Teampartners und ist auch um einen Superlativ nicht verlegen. "Er ist ein absoluter Ausnahmespieler mit extrem viel Präsenz." Weil er gleich mehrere Gegenspieler binden kann, könnten sich die Eigenen freier im Raum bewegen. Wenn das alles aufgeht, ist die Chance tatsächlich groß.