"Schauen Sieee...“ Praktisch kein Gespräch gab es mit Otto Baric, das nicht mit diesen Worten begann. Und war er gut gelaunt, und das war er gegenüber Journalisten zum Glück meistens, dann folgte ein Wortschwall. Denn zu sagen hatte der in Kärnten, in Eisenkappel, als Sohn eines Gastarbeiters geborene Kroate immer „maximal viel“. Nicht selten ging es dabei darum, auch sich selbst ins gute Licht zu rücken. Seltener darum, seinen Zorn loszuwerden – dann mit derselben, maximalen Intensität wie sein Fachwissen.

Denn egal, was es war: Otto Baric machte alles mit maximaler Leidenschaft. Was das Leben als Trainer betraf, machte er es auch maximal gut. Mit drei verschiedenen Teams brachte er es in Österreich zu sieben Meistertiteln, mit Rapid und Austria Salzburg schaffte er es sogar ins Europacup-Finale – unvergessen die Walzer-Tänze mit Salzburgs Präsident Rudi Quehenberger nach dem Sieg gegen Karlsruhe. „Eines kann ich sagen: Neun von zehn Sachen habe ich gemacht gut“, sagte er einst in einem Interview über seine Zeit in Österreich.

Selbstlob, das war seine Sache, Baric wusste immer, was er gut gemacht hatte – und oft wusste er noch viel besser, was andere schlecht gemacht hatten. Aber er tat dies immer auf sympathische Art und Weise, denn immer war seine Liebe zum Fußball spür- und erlebbar. Einst knallte er dem Kollegen bei einem Interview zehn Schachteln Tabletten auf den Tisch, sagte dazu: „Schauen Siee, muss ich schlucken all diese...“ Er schluckte, um dem Druck standhalten zu können, um die Eruption der Leidenschaft in gesundheitlich verträglichen Maßen halten zu können. Er war eben immer „maximal“ ...

Das war auch die Kunst, die ihn vielleicht zu dem großartigen Trainer machte, der er war: zu motivieren, aufzuputschen. „Seine Genialität bestand darin, eine Mannschaft zu analysieren und jeden Einzelnen in dieser Mannschaft besser zu machen“, sagt Otto Konrad über ihn, der ihn beim SK Sturm ebenso wie in der Glanzzeit der Salzburger Austria als Trainer erlebt hatte. Und: Baric hatte Schmäh, auch wenn es manchmal dauerte, bis er sickerte.

Otto „Maximale“ war, so könnte man es formulieren, das Gegenstück zu Ivica Osim, im Auftreten. Der eine ruhig, philosophisch, der andere emotional, mitreißend. Was sie eint, ist bzw. war diese spürbare Liebe für den Fußball, die wahrlich „maximal“ war.

Groß war auch seine Kunst, zu erzählen. Jahre, nachdem er sich aus dem Trainergeschäft zurückgezogen hatte (obwohl: so ganz gelang ihm das ohnehin nie) schien er etwa dem Gastspiel des Skiweltcups in seiner Heimatstadt entgegenzufiebern, organisierte Wochen im Voraus das Lokal, in die er eine kleine, aber feine Journalistenschar ausführte. Dort hielt er Hof, dozierte, analysierte das Fußball-Geschehen und ließ sich bewundern und beklatschen, trat als Zampano auf, der er irgendwie auch war. Er liebte das Scheinwerferlicht – und die Fußballbühne liebte ihn, weil er nicht aalglatt, kontrolliert und überlegt antwortete. Er war das Gegenstück zu den heutigen Darstellern, die allesamt ihre Worte und Auftritte wohlüberlegt und abgestimmt gestalten.

Erfolg hatte Baric genug, „und habe ich verdient auch gut“, meinte er oft in Interviews. Und doch blieb er denen immer verbunden, die mit ihm den Weg gegangen waren. Einst, als Kroatien im EM-Viertelfinale 2008 in der Nachspielzeit der Verlängerung den Ausgleich kassiert und im Elfmeterschießen verloren hatte, ließ er sich beim Hasten durch Wien stoppen. Sofort dozierte er: „Schauen Sieee... Trainer hat alles falsch gemacht.“

Viel falsch hat Baric selbst nicht gemacht, selbst wenn ihm der vielleicht größte Traum, der Erfolg mit der österreichischen Nationalmannschaft, versagt blieb.

Was bleibt von Otto Baric, der an den Folgen von Corona starb? Ganz viele, maximal gute Erinnerungen.