Betroffen waren am Freitag mehrere Internet-Seiten – zum Beispiel vom Außenministerium, aber auch vom Energieministerium und vom Zivilschutz. Kiew machte „ersten Daten zufolge“ Russland verantwortlich. Aus Moskau gab es darauf zunächst keine Reaktion – aber weitere Klagen über mangelndes Entgegenkommen des Westens bei den verschiedenen Gesprächen diese Woche in Genf, Brüssel und Wien.

Die US-Regierung warf Russland vor, mit Sabotageakten „unter falscher Flagge“ in der Ostukraine einen Vorwand für einen Einmarsch vorzubereiten. Nach US-Informationen seien dafür bereits in „urbaner Kriegsführung“ geschulte Agenten aufgestellt worden, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki. Die Informationen deuteten darauf hin, dass diese Agenten beginnen würden, mit Provokationen in staatlichen und sozialen Medien eine Intervention zu rechtfertigen. „In diesen Medienberichten wird auch der Westen für die Eskalation der Spannungen verantwortlich gemacht“, sagte sie. Man habe dieses Vorgehen bereits 2014 bei der Annexion der Krim gesehen.

Die Spannungen im Ukraine-Konflikt hatten zuletzt stark zugenommen. Diese Woche gab es deshalb auf verschiedenen Ebenen Gespräche. Am Mittwoch berieten die 30 NATO-Staaten und Russland erstmals seit zweieinhalb Jahren wieder miteinander. Darüber hinaus gab es am Donnerstag eine Sitzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien. Bereits am Montag hatten sich Vertreter Russlands und der USA in Genf getroffen.

Auch die EU-Außenminister berieten am Freitag über den Umgang mit Russland. Die EU-Außenminister verständigten sich auf einen Zehn-Punkte-Plan. Das Konzept sieht vor, angesichts des russischen Truppenaufmarschs geschlossen auf eine Mischung auf Abschreckung und Dialog zu setzen. So sollen die Vorbereitungen für neue Sanktionen mit Partnern wie den USA fortgesetzt werden. Zugleich wird die Bereitschaft zu vertrauensbildenden Maßnahmen und die Unterstützung von möglichen neuen Absprachen zur Abrüstung und Rüstungskontrolle betont.

Das „Risiko einer russischen Intervention in der Ukraine ist real, und wir müssen zur Reaktion bereit sein“, sagte ein Teilnehmer der EU-Beratungen am Freitag in Brest, der nicht namentlich genannt werden wollte. Dafür lägen Sanktionen auf dem Tisch. Der Westen könne sich ein wochenlanges Zögern wie nach der russischen Annexion der Krim-Halbinsel 2014 nicht noch einmal leisten.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) bekräftige am Freitag mit Blick auf die Ukraine-Krise, „solange man miteinander redet, ist noch nicht jegliche Hoffnung verloren“. Aber die Situation sei „ernster als wir es in den letzten Jahren gesehen haben“, so der Außenminister.

Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, erklärte, die Vereinigten Staaten wollten „robust auf jegliche Aggression“ reagieren, räumte aber ein, das genaue Vorgehen Russlands bleibe ungewiss: „Die Nachrichtendienste haben keine Einschätzung abgegeben, dass die Russen endgültig beschlossen haben, in der Ukraine militärisch vorzugehen.“ Russland habe immer noch die Möglichkeit zu weiteren Gesprächen.

Darauf baut unter anderem Berlin: Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock betonte am Freitag in Brest, sie wolle den Gesprächsfaden mit Moskau nicht abreißen lassen. Sie setze bei ihrem Antrittsbesuch in Moskau am Dienstag darauf, „Gesprächskanäle auf allen unterschiedlichen Ebenen zu nutzen“. Dafür brauche es viel Ausdauer, viel Geduld und „starke Nerven“. Baerbock wird zuvor am Montag in Kiew sein. Daraufhin will Baerbock gemeinsam mit ihrem französischen Kollegen Jean Yves Le Drian in das Konfliktgebiet in der Ostukraine reisen, wie Le Drian bekannt gab. Laut Le Drians Umfeld soll diese Reise spätestens Anfang Februar stattfinden.

Die Ukraine setzt allerdings dem Augenschein nach größere Hoffnungen auf die USA als auf die Europäer: Ein Berater von Präsident Selenskyj schlug einen Dreiergipfel per Videokonferenz mit US-Präsident Joe Biden und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor.

Laut dem russischen Außenminister Sergej Lawrow hat der Westen für kommende Woche schriftliche Antworten auf die Forderung Moskaus nach Sicherheitsgarantien zugesagt. Russland hatte zudem Erwartungen an einen fortgesetzten Dialog gedämpft: Dafür sehe er vorerst keine Notwendigkeit, sagte der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow.

Lawrow warf der NATO vor, weiter auf Konfrontationskurs zu gehen –  besonders im Hinblick auf die jüngsten Äußerungen um eine mögliche Aufnahme skandinavischer Länder in das Bündnis. Das sei eine „künstliche Erweiterung“ einer NATO, die ihren Zweck im Grunde mit dem Ende des Kalten Krieges vor mehr als 30 Jahren verloren habe. Der Westen missachtet aus Sicht von Lawrow internationales Recht und habe es darauf abgesehen, eine neue Weltordnung aufzubauen. „Sowohl Schweden und Finnland als auch Österreich nehmen übrigens von Zeit zu Zeit und sogar regelmäßig an NATO-Übungen teil, deren Szenarien alles andere als harmlos sind“, betonte Lawrow.

Die Ukraine meldete indes einen „weltweiten Angriff“ auf die Internetseiten ihrer Regierung in der Nacht auf Freitag. Laut dem Bildungsministerium in Kiew waren etwa die Homepages des Außenministeriums, des Energieministeriums, der Regierung und des Rettungsdienstes nicht abrufbar. Die ukrainische Regierung machte Russland für den Hackerangriff verantwortlich. „Ersten Daten zufolge“ seien die Angriffe aus Russland erfolgt, teilte das Ministerium für Kultur und Informationspolitik mit. So habe es in russischen Medien schon erste Hinweise auf die Attacken gegeben, noch bevor sie in der Ukraine aufgegriffen worden seien.

Die NATO verurteilte die Attacke und kündigte weitere Unterstützung für die Ukraine an. Nach Angaben von Generalsekretär Jens Stoltenberg soll dazu ein Abkommen über eine verstärkte Zusammenarbeit in Cyberfragen unterschrieben werden. Es soll der Ukraine auch Zugang zu einer NATO-Plattform zu Schadsoftware ermöglichen.

Schallenberg bezeichnete den massiven Hackerangriff als „wahnsinnig besorgniserregend“. Cyberattacken seien mittlerweile „Teil der diplomatischen Realität“, sagte Schallenberg beim EU-Außenministertreffen in Brest weiter mit Verweis auf einen Hackerangriff auf das Außenministerium in Wien. Es müsste „sehr genau“ beobachtet werden, „woher kommt das und was ist das genaue Ziel des Angriffs?“ Deutschland bot der Ukraine Hilfe an.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte es „denkbar“, dass Russland hinter dem Cyberangriff steckt. In Brüssel wurde deshalb eine Dringlichkeitssitzung des Politischen und Sicherheitskomitees der EU einberufen.