"Es gibt nicht die typische Lagerbildung, es gibt auch nicht die natürlichen Partner wie in der Vergangenheit, sondern sehr viel Komplexität", sagte Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock auf dem Kongress der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie und Energie. FDP-Chef Christian Linder sagte auf derselben Veranstaltung, die Ampel werde als "Zweckbündnis" starten, aus dem aber etwas entstehen könne.

Die 22 Arbeitsgruppen sollen bis zum 10. November die Ergebnisse ihrer Beratungen vorlegen. Dabei verhandeln fast 300 Politiker und Politikerinnen der drei Parteien. Es ist strikte Vertraulichkeit verabredet. Nach dem 10. November treffen sich dann wieder die Kernverhandlungsgruppen mit den Spitzen von SPD, Grünen und FDP, um die großen Streitpunkte etwa in der Finanz- oder Klimapolitik zu klären. Der Vertrag soll bis Ende November stehen und dann von den Gremien der Parteien bestätigt werden. Die neue deutsche Bundesregierung könnte dann in der Woche vom 6. Dezember vereidigt werden.

Die Parteien haben bereits ein zwölfseitiges Sondierungspapier vorgelegt, in dem etwa der Verzicht auf Steuererhöhungen oder auf die Aufweichung der Schuldenbremse festgelegt wurden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, sprach nun von einem "guten Zeichen für die Demokratie", dass die drei Parteien "sachlich, vernünftig, vertrauensvoll und gemeinsam" eine Position in der Corona-Politik gefunden hätten.

Die Ampel-Parteien wollen neue Corona-Lockdowns rechtlich unmöglich machen, setzen aber bis zum 20. März 2022 noch auf niedrigschwelligere Maßnahmen wie Maskenpflicht zur Eindämmung der Pandemie. Grünen-Co-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, der SPD-Gesundheitsexperte Dirk Wiese und der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, stellten am Mittwoch ein gemeinsames Eckpunkte-Papier der drei Parteien vor. "Schulschließungen, Lockdowns und Ausgangssperren wird es jedenfalls mit uns nicht mehr geben", sagte Wiese.

Baerbock appellierte an die Ampel-Parteien, "aus alten Ritualen" herauszufinden und nicht "in seiner eigenen Filterblase" zu bleiben. Es gehe darum, "alte Gräben nicht nur zuzuschütten, sondern neue Brücken zu bauen". Auch Lindner sprach von der "Bereitschaft in das Offene zu treten und etwas Neues zu schaffen". Als Beispiel für die Kompromissbereitschaft der FDP nannte er die Bereitschaft, den Kohleausstieg vorzuziehen. "Das war kein Anliegen der FDP, aber es gehört zu einer Koalition, dass man sich zu den Kompromissen bekennt".

Am Mittwoch zeigten sich allerdings auch erst Dissonanzen. So kritisierte FDP-Generalsekretär Volker Wissing, dass Scholz und Grünen-Co-Chef Robert Habeck am Sonntag der FDP die Schuld gegeben hätten, dass wegen des Verzichts auf Steuererhöhungen für Reiche eine Entlastung für kleine und mittlere Einkommen unmöglich sei. "Wenn wir jetzt anfangen, uns gegenseitig zu erklären, warum was und wer dafür verantwortlich ist, was nicht geht, dann wird das nicht einfacher", sagte Wissing der Welt-TV.