Bei dem von einem Bogenschützen verübten Anschlag am Mittwochabend in Norwegen handelt es sich nach vorläufigen Erkenntnissen der Ermittler mutmaßlich um einen "Terrorakt". Der Angriff in Kongsberg habe in diesem "Stadium" der Ermittlungen "den Anschein eines Terrorakts", teilte der norwegische Geheimdienst PST am Donnerstag mit. 

Wie der Polizeipräsident des Distrikts Süd-Ost, Ole Bredrup Sæverud, sagte, dass die Polizei den mutmaßlichen Täter, der zum Islam konvertiert sei, wegen einer möglichen islamistischen Radikalisierung im Blick gehabt habe. Ermittlungen zu den genaueren Hintergründen liefen jedoch derzeit noch. Die Bedrohungslage in Norwegen werde "nach wie vor als moderat eingeschätzt".

Der Mann soll am Mittwochabend in der Innenstadt von Kongsberg zahlreiche Menschen mit mehreren Waffen, darunter auch Pfeil und Bogen, angegriffen haben. Pfeil und Bogen gelten in Norwegen nicht als Waffe, sondern als Sportgerät und können deshalb von jedem frei erworben werden. Zur Jagd dürfen sie nicht eingesetzt werden.

Nach dem tödlichen Angriff zeigte sich der mutmaßliche Täter bereit, mit der Polizei zu kooperieren. Er habe in einem Verhör in der Nacht Angaben zur Tat gemacht, sagte sein Anwalt der Presse. Bei dem Verdächtigen handelt es sich um einen 37 Jahre alten Dänen, der in Kongsberg lebt, hieß es in einer Mitteilung der Polizei. Bei den  Angriffen wurden fünf Menschen getötet, dabei handelte es sich um vier Frauen und ein Mann. Es gab mehrere Verletzte.

Die Staatsanwältin sagte dem norwegischen Sender TV2, der Mann habe die Taten zugegeben. Er sei der Polizei zuvor bekannt gewesen. Sie bestätigte, dass er mehrfach mit dem norwegischen Gesundheitswesen in Kontakt gewesen war. Ob der Mann wegen psychischer Probleme in Behandlung war, ging aus den Äußerungen nicht hervor. Die Polizei geht davon aus, dass er allein gehandelt hat.

Die Gewalttat in der südnorwegischen Kleinstadt hatte in Norwegen Trauer und Fassungslosigkeit ausgelöst. Der Vorfall ereignete sich am Vorabend des Regierungsantritts des neuen Ministerpräsidenten Jonas Gahr Støre. Der Sozialdemokrat zeigte sich schockiert. "Das, was wir heute Abend aus Kongsberg hören mussten, zeugt davon, dass eine grausame und brutale Tat begangen worden ist", sagte er am späten Abend der Nachrichtenagentur NTB.

Auch die scheidende Regierungschefin Erna Solberg brachte ihre Anteilnahme zum Ausdruck. "Unsere Gedanken gehen zuallererst an die Betroffenen und ihre Angehörigen", sagte sie am späten Mittwochabend auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Oslo. Sie wird am Donnerstag nach ihrer Wahlniederlage vor einem Monat von Støre an der Regierungsspitze abgelöst. Auswirkungen auf den Regierungswechsel habe die Tat nicht, sagte Solberg.

Die Angriffe ereigneten sich nach Angaben der Polizei an mehreren Orten in der Stadt. Der Täter habe sich über ein größeres Gebiet hinweg bewegt, teilten die Ermittler mit. Das Zentrum der Stadt wurde weiträumig abgeriegelt. Der Polizei sei um 18.13 Uhr von mehreren Personen gemeldet worden, dass sich ein Bewaffneter durch die Stadt bewege und mit Pfeil und Bogen auf Menschen schieße, sagte der zuständige Polizeichef Øyvind Aas. Mehrere Medien berichteten von einem Supermarkt als einem Ort des Geschehens. Der Angreifer konnte nach Polizeiangaben rund eine halbe Stunde nach dem ersten Notruf festgenommen werden.

Bei einem der Verletzten handelte sich um einen Polizisten, der aber zum Tatzeitpunkt nicht im Dienst war, wie Aas mitteilte. Über die Toten und die weitere verletzte Person machte er keine genaueren Angaben.

Der Vorfall weckt schlimme Erinnerungen: Vor gut zehn Jahren erlebte Norwegen den schwersten Terroranschlag seiner modernen Geschichte. Am 22. Juli 2011 zündete ein Rechtsterrorist zunächst im Osloer Regierungsviertel eine in einem Transporter versteckte Bombe und tötete dabei acht Menschen. Danach fuhr er zur etwa 30 Kilometer entfernten Insel Utøya, wo er sich als Polizist ausgab und das Feuer auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des jährlichen Sommerlagers der Jugendorganisation der sozialdemokratischen Arbeiterpartei eröffnete. 69 Menschen, vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, kamen auf Utøya ums Leben. Der Täter wurde im August 2012 zur damaligen Höchststrafe von 21 Jahren mit einer Mindesthaftzeit von zehn Jahren verurteilt.