Am 6. Jänner dieses Jahres tagte der US-Kongress im Kapitol in Washington, um den Sieg von Joe Biden bei der Präsidentenwahl zu bestätigen. Donald Trump hielt auf einer Bühne unweit des Weißen Hauses eine Rede. Er forderte seine Anhänger dazu auf, vor das Kapitol zu ziehen. "Wir werden nicht zulassen, dass sie Eure Stimmen zum Schweigen bringen", rief Trump.

Trumps wütende Anhänger zogen vor das  Kapitol, kämpften gegen Polizisten, überwanden Barrikaden. Dann schlugen die Trump-Anhänger Fenster ein und verschafften sich so Zugang zum Kapitol. Eines der am besten gesicherten Gebäude der Welt war leicht erobert.

Das Ergebnis jenes Tages, der als besonders dunkles Kapitel in der neueren amerikanischen Geschichte gilt: fünf Todesopfer, Dutzende Verletzte und  unzählige traumatisierte Abgeordnete, die um ihr Leben fürchteten.

Donald Trump
Donald Trump © AFP

Der Impeachment-Prozess gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump wegen der Kapitol-Erstürmung beginnt am morgigen Dienstag im Senat. Trump muss sich als erster Präsident der US-Geschichte zum zweiten Mal einem solchen Verfahren stellen, eine Verurteilung gilt als unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.

Als dienstältester demokratischer Senator und damit geschäftsführender Senatsvorsitzender wird Patrick Leahy das Verfahren leiten. Der 80-Jährige gehört schon seit 1975 dem Senat an, wo er gemeinsam mit dem Linkspolitiker Bernie Sanders den Bundesstaat Vermont vertritt.

Patrick Leahy
Patrick Leahy © AP

Neben der politischen Arbeit stand Leahy wiederholt auch vor der Kamera: In mehreren Batman-Filmen hatte der passionierte Fan des Fledermaus-Helden kurze Gastauftritte. Besonders intensiv war die Erfahrung in "The Dark Knight" (2008), als ihn der von Heath Ledger verkörperte Bösewicht Joker gewaltsam am Nacken packte und ihm ein Messer ans Gesicht hielt.

Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Was wird Trump vorgeworfen?

Das von den Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus beschloss eine Woche nach der Kapitol-Erstürmung vom 6. Jänner ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump wegen "Anstiftung zum Aufruhr". Dem 74-Jährigen wird insbesondere vorgeworfen, seine Anhänger mit einer aufwieglerischen Rede zur Erstürmung des Kongresses angestachelt zu haben.

Wie wird der Prozess ablaufen?

In dem Prozess werden neun Abgeordnete der Demokraten unter Leitung von Jamie Raskin als sogenannte Impeachment Manager die Anklage führen. Trump wird durch die Anwälte Bruce Castor und David Schoen vertreten. Den Vorsitz übernimmt der dienstälteste demokratische Senator Patrick Leahy. Eigentlicher Herr über das Verfahren ist aber Mehrheitsführer Chuck Schumer, wie Leahy ein Demokrat.

Der genaue Ablauf und die Dauer des Prozesses wurden noch nicht festgelegt. Grundsätzlich werden Anklage und Verteidigung aber Zeit bekommen, ihre Argumente vorzutragen. Die während der Verhandlungen zum Schweigen verdammten Senatoren werden aller Voraussicht nach schriftliche Rückfragen stellen können. Die Ankläger haben Trump zu einer Aussage unter Eid aufgefordert, der Ex-Präsident hat dies aber abgelehnt.

Am Ende des Prozesses steht eine Abstimmung an. Für einen Schuldspruch wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig, das entspricht 67 Senatoren.

Kann Trump als Ex-Präsident überhaupt der Prozess gemacht werden?

Das ist eine juristische Frage, die während des Verfahrens viel Raum einnehmen dürfte. Trumps Anwälte - und viele Republikaner - argumentieren, der Prozess sei verfassungswidrig. Ein Impeachment-Prozess dürfe sich nur gegen amtierende, nicht gegen frühere Präsidenten richten. Trump sei inzwischen eine Privatperson und könne deswegen nicht vom Senat belangt werden.

Die Demokraten sehen das anders und haben dabei eine Mehrheit der Verfassungsrechtler auf ihrer Seite. Ihr Argument: Sollte ein Präsident nicht auch nach seiner Amtszeit zur Rechenschaft gezogen werden können, wäre dies ein Freifahrtschein für Verstöße gegen die Verfassung in den letzten Amtswochen.

Es gibt auch Präzedenzfälle. So führte der Senat 1876 ein Amtsenthebungsverfahren gegen Kriegsminister William Belknap, obwohl dieser kurz vor der Anklageerhebung zurückgetreten war. Letztlich ist die Frage aber nicht eindeutig geklärt.

Warum halten die Demokraten nach Trumps Amtszeit an dem Prozess fest?

Trumps Amtszeit endete regulär am 20. Jänner, als Wahlsieger Joe Biden vereidigt wurde. Eine Amtsenthebung ist also gar nicht mehr möglich. Die Demokraten bekräftigen aber, Trumps Verhalten sei so schwerwiegend, dass der Republikaner auch nach seiner Zeit im Weißen Haus zur Rechenschaft gezogen werden müsse.

Außerdem wäre eine Verurteilung nicht nur symbolisch: Bei einem Schuldspruch könnte der Senat Trump in einer weiteren Abstimmung mit einfacher Mehrheit von künftigen öffentlichen Ämtern ausschließen. Dann könnte Trump auch nicht bei der Präsidentschaftswahl 2024 antreten.

Wie wahrscheinlich ist eine Verurteilung Trumps?

Es gilt als nahezu ausgeschlossen, dass eine Zweidrittelmehrheit für einen Schuldspruch zustandekommt. Neben den 50 demokratischen Senatoren müssten mindestens 17 Republikaner für eine Verurteilung stimmen. Zwar waren auch viele Republikaner empört über Trumps Verhalten. Offen gegen ihn stimmen wollen aber nur die wenigsten, zumal der Rechtspopulist an der Parteibasis weiterhin großen Rückhalt genießt.

Ende Jänner stellten sich 45 der 50 republikanischen Senatoren hinter einen Antrag, in dem der Impeachment-Prozess als verfassungswidrig bezeichnet wird. Das lässt nicht auf einen großen Willen der Republikaner schließen, Trump zu verurteilen.

Das sind Trumps Anwälte

Nachdem Trumps eigentliches Verteidiger-Team kurzfristig absprang, wird der Ex-Präsident jetzt von den Anwälten Bruce Castor und David Schoen vertreten. Sie waren der Öffentlichkeit bisher kaum bekannt, haben aber schon für Kontroversen gesorgt.

Anwalt Bruce Castor
Anwalt Bruce Castor © Dan Gleiter via AP

Schoen arbeitete in der Vergangenheit für den langjährigen Trump-Berater Roger Stone, der im Zuge der Russland-Affäre zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, von Trump aber später begnadigt wurde. 2019 sorgte der im Südstaat Alabama angesiedelte Strafverteidiger dann für Schlagzeilen, weil er den festgenommenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein vertreten sollte. Als Epstein tot in seiner Gefängniszelle aufgefunden wurde, sagte Schoen, er glaube nicht an einen Suizid, die offizielle Todesursache.

Der 59-jährige Castor wiederum ist vor allem dafür bekannt, es 2005 in seiner Zeit als Bezirksstaatsanwalt im Bundesstaat Pennsylvania abgelehnt zu haben, ein Strafverfahren gegen Sitcom-Legende Bill Cosby wegen des Vorwurfs der sexuellen Gewalt einzuleiten. Er hielt die Beweislage für zu dünn.

Später erhob ein anderer Staatsanwalt Anklage gegen Cosby, der schließlich 2018 zu jahrelanger Haft verurteilt wurde. Castor wiederum lieferte sich juristische Auseinandersetzungen mit dem Cosby-Opfer Andrea Constand.