Eigentlich begann alles mit einer Frau: Der Legende nach soll Amaterasu, die „große Sonnengöttin“, das japanische Kaiserhaus begründet haben. Amaterasu soll 660 vor Christus ihren Sohn auf die Erde geschickt haben, um das Reich der aufgehenden Sonne zu schaffen. Doch die Wertschätzung für das Weibliche hält sich im heutigen Japan dennoch in Grenzen: Der Thron ist ausschließlich Männern vorbehalten. Nur männliche Nachfahren der männlichen Familienlinie dürfen nach gegenwärtiger Gesetzeslage Tenno werden. Und das bringt das japanische Kaiserhaus nun in die Bredouille: Der ältesten Erbmonarchie der Welt drohen die Thronfolger auszugehen. Stirbt das Kaiserhaus aus?

Derzeit hat Kaiser Naruhito (61) den Chrysanthemen-Thron inne. Seine Frau Masako und er haben nur ein Kind: Prinzessin Aiko (19). Ihr ist nach derzeitiger Gesetzeslage als Frau der Thron verwehrt. Deswegen ernannte Naruhito im Vorjahr seinen jüngeren Bruder Fumihito von Akishino offiziell zum Nachfolger.

Doch eines Tages wird auch er einen Nachfolger benötigen: Kronprinz Akishino bekam zunächst zwei Mädchen – Mako und Kako. Erst 2006 wurde mit seinem dritten Kind die Nachfolge-Krise scheinbar gelöst: Am 6. September erblickte da nämlich Prinz Hisahito von Akishino das Licht der Welt. Mit der Geburt des kleinen Buben kam der erste japanische Prinz seit 1965 zur Welt – die Traditionalisten konnten aufatmen. Doch auf dem derzeit 14-Jährigen ruhen nun gewaltige Hoffnungen: Der künftige Thronfolger muss eines Tages nicht nur eine passende Frau finden, sondern vor allem auch wieder einen Buben zeugen. Sollte das nicht funktionieren, muss er eine andere Frau suchen – oder gibt es keinen männlichen Thronfolger mehr. Das halten nicht wenige in Japan heute für unmenschlich und nicht mehr zeitgemäß.

Mehrheit der Japaner unterstützt Änderung

Kein Wunder, dass trotz aller Widerstände in Japan nun doch wieder erwogen wird, die weibliche Thronfolge zuzulassen. Ministerpräsident Yoshihide Suga berief kürzlich eine neue Kommission ein, die sich mit der heiklen Frage befassen soll. An sich, sollte man meinen, ließe sich das Problem doch lösen. 80 Prozent Japaner würden laut Umfragen ohnehin eine Frau auf dem Thron akzeptieren.

Acht Kaiserinnen

Dazu kommt: Es ist nicht so, dass es noch nie Kaiserinnen in Japan gegeben hätte: Insgesamt waren es schon acht weibliche Tenno; die bisher letzte war Go-Sakuramachi, die 1762 den Thron bestieg. Allerdings: Sie alle übernahmen das Amt nur als „Übergangslösung“ – und dankten ab, sobald einen männlicher Nachfolger der männlichen Linie gab. Abgeschafft wurde diese Möglichkeit dann 1889. 2005 erarbeitete ein Weisenrat bereits den Entwurf einer Gesetzesänderung, der weibliche Thronfolge ermöglichen sollte – doch sobald Hisahito geboren wurde, kam das Papier statt ins Parlament doch wieder in die Schubladen.

Jetzt will sich die Kommission ein ganzes Jahr Zeit nehmen, um zu beraten. Angedacht ist, Prinzessinnen zu ermöglichen, am Hof zu bleiben und eigene Familienzweige zu gründen. Sollten sie dann Söhne bekommen, könnten diese dann auf den Thron. Doch sogar dagegen regt sich Widerstand der Konservativen.