Ein Baustopp rüttelt die politische Landschaft auf. Umweltschutzorganisationen feiern, Wirtschaftsvertreter schreien auf. Mittendrin die österreichische Politik: Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) schloss am Mittwoch rechtliche Schritte nicht mehr aus. Dabei erhält die SPÖ breite Unterstützung: Neben der FPÖ positioniert sich auch die ÖVP klar für den Bau der Autobahnen.

Niederösterreich kündigte an, mögliche rechtliche Schritte zu unterstützen. Es sei leicht, "im Elfenbeinturm des Ministeriums Entscheidungen zu treffen", tat die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) kund. Doch "die Menschen vor Ort leiden". Auch die Wiener ÖVP, deren Obmann Finanzminister Gernot Blümel ist, fand deutliche Worte: Die Entscheidung sei "völlig unverständlich" und "ein Schlag ins Gesicht der Wienerinnen und Wiener". Auch aus dem Nationalrat rückten türkise Abgeordnete aus, um die Grünen-Ministerin zu kritisieren.

In Gewesslers Ministerium wird das entspannt beobachtet. Man werde im weiteren Vorgehen Bundesländer und Koalitionspartner eng einbinden, wird versichert. Die Ministerin selbst sieht die Kompetenz für die Entscheidung jedenfalls klar bei sich, wie sie Mittwochabend im ZIB2-Interview mehrmals betonte. Sie begründete ihr Vorgehen damit, dass sie aus dem Regierungsprogramm den Auftrag habe, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Die ASFINAG müsse aufgrund des entsprechenden Ermächtigungsgesetzes konkrete Bauprojekte planen und entwickeln. Was umgesetzt werde, werde aber jährlich mit dem Ministerium abgestimmt, so Gewessler, die damit auf die konkrete Kompetenz bei der Entscheidung pocht, was gebaut wird.

Auch die Unabhängigkeit und Weisungsungebundenheit des ASFINAG-Aufsichtsrats sei keine Hürde, so die Ministerin. Denn der Aufsichtsrat müsse das Einvernehmen mit der Ministerin als Eigentümervertreterin der Republik herstellen.

Zugleich gab Gewessler aber zu, dass für den vom Verkehr stark belasteten Norden Wiens eine Lösung gefunden werden müsse - nämlich eine Kombination mit Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Bußjäger: "Gesetzesauftrag für Straße"

Nach Ansicht des Verwaltungsexperten Peter Bußjäger muss sich Gewessler jedenfalls an das Bundesstraßengesetz halten. Es bestehe der gesetzliche Auftrag, dass auf dieser Route eine Schnellstraße gebaut wird, so Bußjäger im Ö1-Morgenjournal am Donnerstag. "Wenn sie das Projekt gänzlich absagt ohne Alternativen, ist das eine sehr heikle Geschichte", so Bußjäger. Rechtlich werden die Länder dennoch nicht viel Spielraum haben: Die Asfinag und ihr Bauprogramm sind Bundessache, auf die Umsetzung der im Bundesstraßengesetz fixierten Straßenbauten besteht kein Rechtsanspruch. Allenfalls käme eine Ministeranklage infrage, für die es aber eine Mehrheit im Nationalrat (und damit einen Koalitionsbruch durch die ÖVP) bräuchte.

In den eigenen Reihen wird die Ministerin derweil bejubelt. Während sie in der Corona-Politik in den Hintergrund tritt, feiert die aufgrund des breiten Aufgabengebiets schon früh als "Superministerin" bezeichnete Gewessler den nächsten Erfolg in einem grünen Kernthema.

Auch über die Parteigrenzen hinweg gibt es Freude: In Wien sprechen die Neos von einer "richtigen Entscheidung" und fordern ihren roten Koalitionspartner auf, rasch zu handeln, "statt nachhaltige Lösungen durch Rechtsstreitigkeiten" zu verzögern. Auch innerhalb der SPÖ wird der Baustopp nicht nur negativ gesehen. "In Zeiten der Klimakrise ist es fahrlässig, Infrastrukturprojekte vorrangig für Autos zu bauen", sagte etwa die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend in Wien.