Expertinnen und Experten aus Polizei und Justiz, von Opferschutzeinrichtungen und aus der Wissenschaft nahmen am Dienstag am 2. Gewaltschutzgipfel teil. Die wegen Corona online durchgeführte Veranstaltung ist in Österreich der Auftakt der weltweiten "16 Tage gegen Gewalt". Am Vormittag unterzeichneten Innenminister Karl Nehammer und Frauenministerin Susanne Raab (beide ÖVP) mit Marina Sorgo, Vorsitzende des Dachverbandes Gewaltschutzzentren, eine Kooperationsvereinbarung.

Das eintägige Online-Forum stand unter dem Motto "Gemeinsam gegen Gewalt". Mit Spannung erwartet wurde eine Studie zur Datenlage über Frauenmorde in Österreich in den vergangenen zehn Jahren.

Neue Studie erschreckend

Diese brachte Erschreckendes zu tage: 777 Gewalttaten an Frauen wurden zwischen 2010 und 2020 in Österreich verübt - 319 Frauenmorde und 458 Mordversuche. Eine deutliche Mehrheit der Opfer war jünger als 39 Jahre, sieben von zehn waren Österreicherinnen, in mehr als 80 Prozent der Fälle kannten sich Täter und Opfer.

Knapp 40 Prozent der Opfer waren 18 bis 39 Jahre alt, 7,5 Prozent noch jünger, rund 32 Prozent zwischen 40 und 59, und 21 Prozent waren über 60 Jahre alt, so die Daten von Birgitt Haller, Leiterin des Instituts für Konfliktforschung. Bei mehr als 60 Prozent bestand eine familiäre Beziehung zwischen Opfer und Täter, bei fast 46 Prozent zudem eine Hausgemeinschaft, das heißt sie lebten zusammen.

Die meisten Tatverdächtigen, gut 44 Prozent, waren jünger als 39 Jahre, zwei Drittel österreichische Staatsangehörige. 2019 war in der Untersuchungsperiode das Jahr mit den meisten Frauenmorden. Allein in diesem Jahr wurden 111 Taten gezählt, 43 Frauenmorde und 68 versuchte Morde. Heuer wurden nach Zählweise der beiden Ministerien laut Raab bereits 28 mutmaßliche Frauenmorde begangen, wobei auch einige Fälle von Mord und Suizid des Täters berücksichtigt wurden.

Gewaltschutz entscheidender Faktor

"Die Kooperation aller beteiligten Behörden erhöht die Sicherheit der Betroffenen", sagte Marina Sorgo, Vorsitzende des Dachverbandes der Gewaltschutzzentren, anlässlich der Unterzeichnung eines Kooperationsvertrags mit Frauenministerin Susanne Raab und Innenminister Karl Nehammer. Die Zentren, die jährlich rund 20.000 Opfer betreuen, erhalten nunmehr 50 Prozent mehr finanzielle Mittel und es sei kontraproduktiv, wenn sich Frauen nicht zu melden trauten, weil sie den Eindruck hätten, "dass wir ständig überlastet sind", betonte sie. Die mit September neu eingeführte Täterarbeit bedeute für viele Frauen eine Erleichterung, weil sich der Gefährder, meist der Partner, dort mit seiner Gewaltbereitschaft auseinandersetzen müsse.

Die Polizei sei immer noch zu wenig involviert, wenn Frauen und ihren Kindern Gewalt angedroht oder angetan wird, unterstrich Karl Nehammer die Wichtigkeit des Polizeinotrufs 133 und betonte: "Die Polizistinnen und Polizisten sind für diese schwierigen Einsätze gerüstet." Aber nur bei einem Tötungsdelikt in diesem Jahr sei im Vorfeld ein Betretungs- bzw. Annäherungsverbot im Vorfeld verhängt worden. Insgesamt seien heuer bisher rund 12.100 Betretungs- bzw. Annäherungsverbote ausgesprochen worden, etwa 1.400 mehr als im selben Zeitraum 2020.

Weitere Studie folgt

Die Daten aus der neuen Studie seien nur ein erster Schritt, wurde betont. Es folgt voraussichtlich bis zum Frühjahr eine qualitative Untersuchung der Fälle, zudem wurde Innenministerium eine weitere Studie zum Dunkelfeld bei Gewalt in der Privatsphäre in Auftrag gegeben. Sie könnte noch vor den Weihnachtsfeiertagen präsentiert werden.

Blick auf Kinder nötig

Partnergewalt hat massive Auswirkungen auf Kinder, es gebe aber nur wenige Daten darüber, wie viele Kinder Gewalt zwischen ihren Bezugspersonen miterleben: Darauf haben die Kinderschutzzentren anlässlich des 2. Gewaltschutz-Gipfels am Dienstag aufmerksam gemacht. "Im Kontext häuslicher Gewalt aufzuwachsen bedeutet, mit allgegenwärtiger Angst und emotionaler Belastung zu leben", sagte Petra Birchbauer, Vorsitzende des Bundesverbandes Österreichischer Kinderschutzzentren.

Laut einer Statistik der 26 heimischen Frauenhäuser wurden dort im Jahr 2020 insgesamt 1.507 Frauen und 1.487 Kinder betreut, berichteten die Kinderschutzzentren. Eine Umfrage des Gallup-Instituts im Auftrag der Organisation die möwe kommt zum Ergebnis, dass 27 Prozent der Befragten Gewalthandlungen zwischen ihren Eltern miterlebten