Gegen Ende der Großdemonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Österreich zieht die Polizei eine erste Bilanz. Die Behörden schätzen die Anzahl der Teilnehmer auf etwa 38.000, damit war die Kundgebung (eigentlich waren es zehn angemeldete Demos) die größte seit Ausbruch der Pandemie.

Innenminister Karl Nehammer am Tag danach: Die Polizistinnen und Polizisten Österreich hätten eine harte Woche hinter sich. Allein in der vergangenen Woche sei bereits 150.000 Mal die 2G-Regel kontrolliert worden. Gleichzeitig habe sich die Stimmung innerhalb derer, die nicht geimpft seien und gegen die Maßnahmen auftreten, "deutlich radikalisiert". Ein Beispiel sei der Brandanschlag auf ein Einsatzfahrzeug in Linz, wo die Täter zugegeben hätten, dass sie "nicht nur das Auto abfackeln, sondern auch die Polizisten verbrennen wollten".

Dieses Ausmaß an Radikalisierung sei in keinster Weise hinzunehmen. Darüber hinaus habe es Morddrohungen gegen Minister und Kanzler gewesen. In dieser Stimmungslage habe die Demo in Wien stattgefunden. Diese Demonstration zeige das Bild einer höchst unterschiedlichen Gruppe" - Bürger, die friedlich ihren Unmut artikulieren, aber auch Gruppen, die versuchten, die Demo zu "kapern", aus der rechtsextremen Szene. Menschen, die Verbrechen des Nationalsozialismus in einen Zusammenhang rückten und völlig abstruse Vergleiche anstellten, die auch strafrechtlich verfolgt würden.

1.400 Beamte im Einsatz, 2 Leichtverletzte

Die Polizei - 1.400 Beamtinnen und Beamten waren im Einsatz - habe wesentlich dazu beigetragen, dass die Lage nicht noch mehr eskaliert sei. Fassungslos seien jene, die sich selbst an alle Maßnahmen halten, wenn sie im Fernsehen sehen, wie da Tausende sich ohne Maske bewegen könnten. Wie das möglich sei? Nehammers Erklärung an die Bevölkerung: "Das Versammlungsrecht ist ein starkes Grund- und Freiheitsrecht, die Polizei kann nur einschreiten, wenn keine unmittelbare Gefahr für die Teilnehmer besteht." Man werde weiterhin alles daran setzen, die verordneten Maßnahmen im Alltag möglichst umfassend zu kontrollieren.

Die Bilder der Demonstration hätten viele Appelle für die "Freiheit" gezeigt: "Denen, die diese Schilder tragen, müssen wir klarmachen, dass es einen Weg zurück in die echte Freiheit gibt, ohne Lockdown". Dieser Weg sei die Impfung, und davon seien möglichst viele Menschen zu überzeugen. Die Frage der Impfung sei keine Frage der parteipolitischen Auseinandersetzung, sondern der Appell, wechselseitig aufeinander Rücksicht zu nehmen, das Virus so einzuschränken, "dass es nicht weiterhin unser Leben bestimmt", insbesondere jenes der Patienten und des Pflegepersonals auf den Intensivstationen.

Die Bilanz: 400 Anzeigen

Der Wiener Landespolizeivizepräsident Franz Eigner ergänzte, die Versammlungsfreiheit müsse gesichert bleiben, Deseskalation sei das Erfolgsgeheimnis. Auch deshalb sei in vielen Fällen am gestrigen Samstag auf die Ahndung der Verwaltungsdelikte verzichtet worden. Die Bilanz des gestrigen Tages: 400 Anzeigen, 36 davon strafrechtlicher Natur, davon wiederum 12 nach dem Verbotsgesetz. Auf Seiten der Polizei gab es zwei Leichtverletzte, auf Seiten der Demonstranten keine Opfer. Ein Angriff gegen Journalisten fand statt, die Täter wurden ausgemacht und werden angezeigt.

11.993 Tote und 38.000 Demonstranten

Ein Bildregisseur des ORF, Claus Diwisch, rückte die Demo übrigens in einen Zusammenhang mit den 11.993 Toten der Corona-Pandemie und visualisierte diese Zahl: Knapp ein Drittel der Zahl der Teilnehmer an der Demo - das sei die Zahl der bisherigen Corona-Opfer: "Wenn es sie noch könnten, wäre ihre Demonstration heute die eindrücklichste gewesen."