Der Nationalrat hat sich am Donnerstag mit vermeintlichen Plänen zur Löschung von E-Mails im Kanzleramt beschäftigen müssen. Aufgebracht hatte die SPÖ das Thema, da sie meint, dass damit die Arbeit des künftigen U-Ausschusses behindert werden soll. Das Kanzleramt replizierte, dass es gar nicht um Löschungen gehe, sondern um eine Konsolidierung, mit der die IT aus Sicherheitsgründen im Bundesrechnungszentrum gebündelt wird.

Verwaltungsjurist Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck erklärte zu dem Fall im Ö1-Morgenjournal, dass man grundsätzlich nicht kontrollieren könne, was gelöscht und was archiviert wird: "Es gibt keine allgemeine Aufsicht darüber, was gelöscht wird. Das Staatsarchiv hat keine Möglichkeiten, in die einzelnen Dienststellen hineinzuschauen, das ist Eigenverantwortung der Behörde." Der geplante Vorgang ist für ihn zudem keineswegs ungewöhnlich: "Es ist nachvollziehbar, dass aus IT-Gründen diese Vorgänge erfolgen müssen, damit die Technik nicht überlastet wird." Dass die Opposition aufgrund der aktuellen Lage allerdings Verdacht schöpft, ist für ihn aber grundsätzlich auch nachvollziehbar.

SPÖ hatte Debatte hochgezogen

Die SPÖ hatte mit ihrem Fraktionsführer im U-Ausschuss Jan Krainer die Debatte hochgezogen und eine "Dringliche Anfrage" eingebracht, die allerdings vom Kanzler angesichts seiner Brüssel-Reise nicht beantwortet werden konnte. Stattdessen trat Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) an, die Antworten des Kanzleramts vorzulesen. Die Vermutungen der SPÖ wurden darin samt und sonders zurückgewiesen. Verwiesen wurde darauf, dass auch andere Ministerien, unter anderem auch das Klimaschutzressort, ihre Daten bereits ins Bundesrechnungszentrum exportiert hätten. Auch von Krainer vorgebrachte Verdachtsmomente, wonach kurz vor der Hausdurchsuchung im Kanzleramt Transportunternehmen im Einsatz waren, wurden verneint.

Zudem versuchten ÖVP und Grüne den Vorwürfen mit einem nur von der Koalition angenommenen Entschließungsantrag den Wind aus den Segeln zu nehmen. In diesem wird die Bundesregierung aufgefordert, jedenfalls sicherzustellen, dass für die Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrollrechte, wie insbesondere den zuletzt eingesetzten Untersuchungsausschuss, die notwendigen Akten- und Datenbestände, etwa in Sicherungskopien, aufbewahrt werden.

"Wahrscheinlich größte Datenvernichtung der Zweiten Republik"

Krainer hatte davor in einer Pressekonferenz Donnerstagvormittag die "wahrscheinlich größte Datenvernichtung der Zweiten Republik" in Vorbereitung gesehen. Worum es genau geht: Laut einem der SPÖ vorliegenden Schreiben des Generalsekretärs im Kanzleramt Bernd Brünner, soll am 10. November das E-Mail-Postfach der Bediensteten des Ressorts gelöscht werden. Davon ausgenommen wären nur Nachrichten des vergangenen Jahres sowie solche, die von den Mitarbeitern aufbehalten werden wollen.

Da der U-Ausschuss erst einige Tage danach mit der Aktenanforderung beginnen kann, würden so für Krainer wichtige Informationen dem Gremium vorenthalten. Bis dahin könne man in den Ministerien nämlich auf Teufel komm raus löschen, ärgerte er sich im Plenum. Ob das Vorgehen im Kanzleramt legal ist, konnte er am Vormittag nicht sagen, sei er doch kein Jurist: "Politisch geht es jedenfalls nicht." Dies gelte umso mehr, als nach Informationen der SPÖ ähnliche Löschaktionen auch in anderen VP-geführten Ministerien wie Finanz- und Innenressort in Planung seien.

Brünner nahm Krainer auch persönlich ins Visier. Dieser sei nicht irgendwer, sondern Teil des Projekts Ballhausplatz gewesen, mit dem Sebastian Kurz dereinst die Übernahme der Kanzlerschaft vorbereitet habe. Zudem sei er später des Kanzlers Kabinettschef gewesen.

In der Debatte war der SPÖ die von Kogler vorgetragene Rechtfertigung des Kanzleramts, wonach es sich um eine IT-Sicherheitsstrategie und keine Löschung handle, nicht genug. Vize-Klubchef Jörg Leichtfried brachte einen eigenen Entschließungsantrag für "Schluss mit Schreddern" ein und warnte vor der "größten Löschaktion der Zweiten Republik". Christian Hafenecker (FPÖ) traute dem Cybersicherheit-Argument auch nicht, während Helmut Brandstätter (NEOS) von der ÖVP generell das Abstellen der Unanständigkeit forderte.

Eva Blimlinger (Grüne) stieß sich vor allem daran, dass im Wissen um die Abwesenheit Schallenbergs Vizekanzler Kogler in die Anfragebeantwortung hineingezogen wurde: "Seid mir nicht böse, aber das ist ja echt kein Benehmen", sagte sie in Richtung SPÖ. Wolfgang Gerstl (ÖVP) stieß sich an der Skandalisierung, obwohl das Kanzleramt seine Sicherheitsstrategie aktiv kundgemacht habe.