Der in der Inseraten-Affäre zurückgetretene Altkanzler Sebastian Kurz wurde heute im Nationalrat als Abgeordneter angelobt und hielt seine erste Rede, in der er als 38. Redner des Tages mehr als acht Minuten lang das Budget von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und besonders die darin erhaltene Steuerreform lobte.

"Nach zehn Jahren Regierungserfahrung weiß ich, die Debatten hier haben eine klare Struktur: Die Regierungsfraktionen verteidigen; die Opposition kritisiert", beschreibt Kurz die Arbeit im Parlament - "und am Ende des Tages ist das Stimmverhalten auch klar: Regierungsfraktionen stimmen zu, die Opposition stimmt dagegen."

Der ÖVP-Chef übernimmt im Parlament dann auch die Funktion des Klubobmanns von August Wöginger, der aber weiter den Klub leiten und sich mit dem grünen Koalitionspartner abstimmen wird. Am Montag hatte der Parlamentsklub der Volkspartei Kurz in einer geheimen Abstimmung einstimmig zum Klubchef gewählt.

Kurz ging vor Sitzungsbeginn durch die Reihen und schüttelte Hände. Zuvor hatte er gegenüber den dutzenden anwesenden Medienvertretern erneut seine Unschuld beteuert, Fragen beantwortete er keine. Er werde die Regierung nun als Partei- und Klubobmann "bestmöglich" unterstützen, erklärte er. Nachdem Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka die Sitzung eröffnet hatte, wurde Kurz über seine Pflichten aufgeklärt und eingeschworen. "Ich gelobe", antwortete der frühere Kanzler und wurde mittels Klatschen offiziell im Nationalrat begrüßt. Der Applaus der Opposition fiel leise und kurz aus.

Schwieriges Verhältnis

Das Verhältnis Kurz' zur parlamentarischen Arbeit gilt als schwierig. Der 35-Jährige, der immer nur formal in jener kurzen Zeit nach Wahlen im Nationalrat saß, bis eine Regierung gebildet war, wurde von Oppositionsabgeordneten immer wieder seiner "Verachtung für das Parlament" wegen kritisiert - ein häufiger Kritikpunkt war, dass er sich als Regierungschefs häufig mit dem Handy beschäftigte, statt den Reden der Abgeordneten zuzuhören. SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried quittierte das einst mit "Candy Crush, Herr Bundeskanzler?", die Sozialdemokraten thematisierten das später auch in einer parlamentarischen Anfrage.

Heute Früh hatte sich Kurz mit einem Video auf seiner Facebook-Seite zu Wort gemeldet. "Klar ist, ich bin kein Schattenkanzler", sagt er. "Ich werde aber alles tun, um das Regierungsteam bestmöglich zu unterstützen."

Kurz: "Ich bin kein Roboter"

"Es sind zahlreiche SMS-Nachrichten im Umlauf, die ich selbst nie geschrieben habe. Und darüber hinaus gibt es einige Nachrichten, die ich geschrieben habe", sagt er und bezieht  Stellung: "Ich verstehe absolut, dass man an den Bundeskanzler ganz besondere Erwartungen hat, was die Wortwahl betrifft. Aber genauso, wie ich zu Hause nicht im Anzug herumlaufe, genauso bin ich eben nicht nur ein Politiker, sondern auch ein Mensch. Ich bin kein Roboter, sondern ein Mensch mit Fehlern und Emotionen und ja leider auch manchmal mit Formulierungen, die ich öffentlich nicht verwenden würde. Ich habe mich bereits für diese Formulierungen entschuldigt und ich bedaure sie auch."

Der abgetretene Kanzler könne Gefühle wie "Enttäuschung, Resignation, Wut sehr gut nachvollziehen"... und "um ehrlich zu sein, für mich hat es sich genauso angefühlt".

Twitter-Fauxpas: Schallenberg-Posting von Kurz-Account

Ein inzwischen wieder gelöschter Tweet vom Account des ehemaligen Kanzlers Kurz sorgt auf Twitter für Wirbel. In der gesicherten Nachricht heißt es: "Meine erste Reise als Bundeskanzler führt mich heute bewusst nach Brüssel." Zu sehen ist Bundeskanzler Schallenberg am Flughafen. Der Tweet war offenbar für seinen Account gedacht.