Der Kanzler-Vertraute im Slimfit-Look ist neben Sebastian Kurz die wichtigste Stütze der Regierung. Gerade deshalb ist es brisant, dass Gernot Blümel im Gefolge der Ibiza-Affäre so schwer unter Beschuss geraten ist.

Eigentlich wäre im zweiten Regierungsanlauf Erntezeit angesagt für die ÖVP: Die Coronakrise sollte dem Kanzler Gelegenheit geben, Leadership zu demonstrieren. „Kurz kann Kanzler“ – das ist die Parole, die die ÖVP verinnerlicht hat.

Dann kam die Casino-Affäre, und mit ihr rückte des Kanzlers Adlatus ins Scheinwerferlicht. Blümel wurde vom Zeugen zum Beschuldigten. Er wies alle Vorwürfe zurück, doch der „Einschlag“ war nicht zu übersehen. Die Causa wurde zur Belastungsprobe für die ÖVP – und den grünen Regierungspartner.

Poker bis hinauf zum VfGH

Der Untersuchungsausschuss forderte Akten aus dem Finanzministerium an, die Auslieferung wurde verweigert. Dass Blümel den Poker bis hinauf zum Verfassungsgerichtshof spielte, versteht keiner. Sogar Jörg Haider zog in Sachen Ortstafelstreit einst die Reißleine, bevor der Bundespräsident tätig werden musste. Jetzt ist Feuer am Dach. Es hagelt Rücktrittsforderungen der Opposition, Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk spricht von einer „grenzwertigen“ Aktion. Die Causa Blümel sei mit der Aktienlieferung erledigt, meint hingegen der ÖVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Andreas Hanger. Und: „Sie kennen meine prinzipielle Meinung zum U-Ausschuss: Das ist Steuerverschwendung.“

Der Politologe Peter Filzmaier sieht in Blümel mittlerweile „eine dreifache Dauerbelastung: für seine Partei, für die Regierung und den Kanzler“. Er verkörpere Unnahbarkeit, Parteinetzwerke und Ränkespiele. „Dazu kommt: Selbst wenn er technisch recht hat, bei finanzpolitischen Themen wirkt er nie wie einer, der etwas tut für dich.“ Er sei eloquent, aber sein „Kommunikationssprech“ habe nichts, was dem Faktor Menschlichkeit entspreche. „Er verkörpert die Arroganz der Macht“, sagt der Politologe.

Blümel kam als Quereinsteiger aus der Wirtschaft. Er war Generalsekretär, wurde Finanzminister. Bei der Bevölkerung macht man sich nicht unbedingt beliebt mit solchen Funktionen. Seine Basis ist vor allem der Kanzler. Kurz habe umgestellt, von der Nominierung für Regierungsämter durch wichtige Teilorganisationen hin zu einem System, das auf Loyalität baue. „Blümel ist des Kanzlers engster Vertrauter und Wegbegleiter, die Debatte über Blümel ist deshalb auch für Kurz ein Problem“, sagt Filzmaier.

Jung und alt zugleich

Das Paradoxe sei, dass Blümel „einen alten Politikertypus verkörpert“, obwohl er noch so jung sei. Es sei ihm nie gelungen, eine emotionale Beziehung zu den Menschen herzustellen, ganz im Gegensatz zum Kanzler, der die Krise der ÖVP damit bisher kompensieren konnte.

Was hat Blümel, was hat der Kanzler jetzt für Alternativen?
Die ÖVP muss von zwei schlechten Möglichkeiten die weniger schlechte wählen, so der Politologe. „Entweder sie sagt: Das halten wir aus.“ Die nächste Nationalratswahl ist erst 2024, und die Zeit heilt viele Wunden. Vier Landtagswahlen stehen allerdings im Jahr zuvor schon an, und wie es heißt, wächst der Unmut unter den ÖVP-Landeshauptleuten.

Die zweite Möglichkeit: die Flucht nach vorn, ein Rücktritt des Finanzministers, mit einem Kollateralschaden für Kurz.

Niederlage "ohne Not" riskiert

Für Politbeobachter Thomas Hofer ist in der Politik „nichts unumkehrbar“, und vieles hänge noch davon ab, was von den Ermittlungen im U-Ausschuss und bei Gericht übrig bleibe. Aber die Niederlage vor dem Höchstgericht habe Blümel „ohne Not“ riskiert, zumal der Zeitgewinn endenwollend sei: Der U-Ausschuss ende zwar Mitte Juli, könne aber mit Mehrheit noch einmal um drei Monate verlängert werden.

Für Hofer wäre der Blümel-Rücktritt eine Option, um ihn aus der Schusslinie zu nehmen, „aber so denkt der Kanzler nicht“. Die ÖVP wanke, aber sie meine, den Elchtest zu überstehen. „Man erinnert sich an das Wahljahr 2019, als die ÖVP trotz Parteispenden-Debatte zulegte“, sagt Hofer. Die Hoffnung also lebt für die Türkisen.