Ein Parlamentsbericht hat dem britischen Premierminister Boris Johnson ein schlechtes Zeugnis für seinen Umgang mit dem Coronavirus ausgestellt. Das Hinauszögern eines Lockdowns zu Beginn der Corona-Pandemie vergangenes Jahr war demnach "eines der größten Versäumnisse im Bereich der öffentlichen Gesundheit" in der Geschichte des Landes, hieß es in dem am Dienstag veröffentlichten Untersuchungsbericht. Der "falsche" Ansatz der Regierung habe Menschenleben gekostet.

Die Abgeordneten kritisierten nicht nur, dass die Regierung zu spät Ausgangssperren für die eigene Bevölkerung erlassen hatte - sie wiesen auch darauf hin, dass Großbritannien seine Grenzkontrollen erst sehr spät verschärft hatte. Demnach hatte die Regierung das Coronavirus anfangs unterschätzt und mit falschen Modellen gearbeitet. Der Regierungskurs "hätte von allen stärker infrage gestellt werden müssen", heißt es in dem Bericht.

Die Parlamentsabgeordneten hatten für ihren Bericht zahlreiche Zeugen vernommen, darunter auch den umstrittenen Ex-Berater von Johnson, Dominic Cummings, der wegen der Missachtung von Quarantäne-Regeln nach seiner Covid-Erkrankung selbst in der Kritik stand. Eine unabhängige öffentliche Untersuchung der Corona-Politik der Regierung soll erst nächstes Jahr folgen.

Großbritannien ist mit fast 138.000 Corona-Todesfällen eines der am schlimmsten von der Pandemie betroffenen Länder Europas. Während zahlreiche europäische Regierungen Anfang 2020 bereits ihre Grenzen abgeriegelt und Lockdowns erlassen hatten, hatte sich Johnson erst Ende März dazu durchringen können. Kurz darauf landete Johnson selbst mit einer Corona-Infektion auf der Intensivstation, zahlreiche seiner Kabinettskollegen und Berater infizierten sich. Unter seinen Beratern hatten damals lange Pläne von einer kontrollierten "Durchseuchung" der Bevölkerung zirkuliert.