Während viele Stimmen des "Superwahltags" in Großbritannien am Freitag noch ausgezählt wurden, hat Boris Johnson bereits einen Erfolg zu verbuchen.  Erstmals seit Jahrzehnten hat die Konservative Partei des britischen Premierministers Boris Johnson der Labour-Partei das Unterhausmandat in der nordostenglischen Stadt Hartlepool abgejagt. Bei einer Nachwahl erhielt die konservative Kandidatin Jill Mortimer die meisten Stimmen, wie die Wahlkommission am Freitag in der Früh mitteilte. Das Ergebnis im Labour-Stammland gilt als großer Erfolg für die Konservativen, die dort weiterhin mit ihrem Brexit-Kurs punkten.

Johnson fuhr am Freitag nach Hartlepool, um Jill Mortimer zu beglückwünschen
Johnson fuhr am Freitag nach Hartlepool, um Jill Mortimer zu beglückwünschen © AP

Auch bei den Kommunalwahlen in weiten Teilen Englands zeigte sich in Gegenden, die mehrheitlich für den Brexit gestimmt hatten, eine Wählerbewegung zu den Konservativen. Damit wird ein Trend bestätigt, der bereits bei der Parlamentswahl vor zwei Jahren eingesetzt hatte und Johnson einen großartigen Sieg bescherte.

Mit Spannung wurde am Freitag auch auf die Auszählung bei der Parlamentswahl in Schottland gewartet. Während mit dem Endergebnis erst am Samstag gerechnet wird, könnten die Resultate in einigen umkämpften Wahlkreisen bereits am Freitag eine Entscheidung bringen, ob die Schottische Nationalpartei (SNP) von Regierungschefin Nicola Sturgeon eine absolute Mehrheit erreicht hat. Die SNP hofft, damit Druck auf London für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum ausüben zu können.

Die Labour Party verstehe sich immer noch als Partei der Arbeiterschaft, das schlage sich aber an den Wahlurnen nicht mehr nieder, sagte der Wahlexperte John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow der BBC. "Labour muss entweder eine Strategie finden, die Arbeiter trotz Brexit wiederzugewinnen oder akzeptieren, dass sie jetzt die Partei der jungen Leute, Akademiker und Sozial-Liberalen sind", so der Politikwissenschafter weiter.

Sadiq Khan mit Hund Luna
Sadiq Khan mit Hund Luna © AFP

Bei der Bürgermeisterwahl in London wird mit einem deutlichen Sieg von Amtsinhaber und Labour-Politiker Sadiq Khan gerechnet. Doch die Auszählung der Stimmen dürfte sich voraussichtlich bis Sonntag hinziehen.

"Das ist ein historisches Ergebnis", sagte Tory-Vizechefin Amanda Milling in einer ersten Reaktion. Premier Johnson bezeichnete den Wahlsieg als "sehr ermutigend" und als Zeichen, dass sich seine Regierung auf die Prioritäten der Menschen konzentriere und so schnell wie möglich aus der Pandemie kommen wolle.

Für Labour-Chef Keir Starmer, der seit gut einem Jahr im Amt ist, bedeutet die Niederlage aber einen herben Rückschlag. Unmittelbaren Einfluss auf die Machtverhältnisse in London hat die Nachwahl nicht, weil die Konservativen im Unterhaus schon jetzt eine komfortable Mehrheit haben.

Hartlepool war selbst bei der historischen Labour-Niederlage bei der Parlamentswahl im Dezember 2019, bei der die Tories Dutzende rote Hochburgen erobern konnten, in den Händen der Oppositionspartei verblieben. Die Nachwahl war notwendig geworden, weil der amtierende Abgeordnete Mike Hill nach Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs zurücktreten musste.

Sowohl Johnson als auch Starmer waren im Wahlkampf mehrmals in die Nordsee-Stadt mit etwa 92.000 Einwohnern gereist. Sie zählt auch zum Kernland der EU-Gegner. Beim Brexit-Referendum im Jahr 2016 hatten fast 70 Prozent der Wähler Hartlepools für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union gestimmt. Johnson war Wortführer der EU-Gegner und setzte den Brexit später als Regierungschef gegen massive innenpolitische Widerstände durch.