Innenpolitischer Paukenschlag: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und Kabinettschef Bernhard Bonelli aufgenommen. Sie werden der Falschaussage vor dem U-Ausschuss verdächtigt und als Beschuldigte geführt. Sie sollen vor dem Untersuchungsausschuss zu Vorgängen rund um die Bestellung des ÖBAG-Aufsichtsrates nicht die Wahrheit gesagt haben.

Auslöser ist eine Anzeige der Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper, die der Kleinen Zeitung vorliegt. In dieser hat Krisper die Aussagen des Trios im U-Ausschuss den publik gewordenen Chatverläufen gegenübergestellt. Kurz wurde am Dienstag von seinem Anwalt über die Aufnahme von Ermittlungen in Kenntnis gesetzt.

ÖBAG-Nominierung im Visier

Konkret sollen Kurz, Blümel und Bonelli vor dem U-Ausschuss beteuert haben, sie seien nicht vorab darüber informiert gewesen, dass der langjährige Kanzler-Vertraute und spätere Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, Vorstand der Staatsholding  werden soll. Die Angezeigten seien auch nicht in die Nominierung der Mitglieder des Aufsichtsrates der ÖBAG involviert gewesen. Diese Aussagen stünden aber, so der Kern der Anzeige, im Widerspruch zu den Auswertungen der diversen Chatverläufe der Beschuldigten durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt.

"Es besteht daher", hieß es in der Anzeige, "in Zusammenschau aller Umstände, insbesondere in Anbetracht der Dichte der Kommunikationsverläufe zwischen den Angezeigten bzw. der Angezeigten mit Thomas Schmid oder anderen Personen sowie in Anbetracht der politischen Brisanz der objektiv falsch dargestellten oder verschwiegenen Tatsachen der dringende Verdacht, dass die objektiven und subjektiven Tatbestandselemente des § 288 Abs 3 StGB (Anmerkung der Redaktion: Falschaussage vor U-Ausschuss) vorliegen."

Kurz: "Bleibe weiter im Amt"

In einer ersten Reaktion meinte Kurz, er sehe keinen Grund für personelle oder persönliche Konsequenzen. Er werde die Arbeit wie gewohnt fortsetzen. Auch sein Kabinettschef bleibe im Amt. Wie der Kanzler betonte, könne die WKStA jederzeit einen Strafantrag stellen. Er gehe davon aus, dass sie das auch tun werde. Es handle sich dabei um ein Einzelrichterverfahren und er würde einer Befragung durch einen Richter "auch sehr gerne nachkommen". Er habe selbstverständlich alle Fragen immer wahrheitsgemäß beantwortet.

Eine Verurteilung könne er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Er sei sich immer bewusst gewesen, dass der U-Ausschuss ein wichtiges Gremium sei, dem man Rede und Antwort stehen müsse. Gleichzeitig erinnerte Kurz aber auch daran, dass viele der im Ausschuss gestellten Sachverhalte schon etliche Zeit zurücklägen. Im Zuge einer vierstündigen Befragung vor den Abgeordneten könne es vorkommen, dass man unpräzise antworte.

SPÖ fordert Kurz-Rücktritt bei Anklage

Die FPÖ fordert angesichts der Ermittlungen den sofortigen Rücktritt von Kurz. "So geht es jedenfalls nicht weiter, Herr Bundeskanzler, Ihr Rücktritt bitte", drängte FP-Abgeordneter Christian Hafenecker am Mittwoch. Für den FP-Fraktionsführer im Ibiza-Ausschuss Hafenecker zeigen die Ermittlungen, "dass die türkise Regierungsmannschaft keinerlei moralische Legitimation mehr besitzt, dieses Land zu führen".

Sollte es zu einer Anklage kommen ist auch für die SPÖ klar, dass Kurz zurücktreten muss. "Ein amtierender Bundeskanzler, der angeklagt ist und vor Gericht steht, kann sein Amt nicht mehr ausüben und muss die Konsequenzen ziehen", so SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die "schwerwiegende Verdachtsmomente" gegen den Kanzler sieht.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger findet es "einzigartig und äußerst bestürzend", dass mit Kurz und Bonelli sowie Finanzminister Blümel und ÖBAG-Chef Schmid gleich vier "Spitzen der Republik" und "Mitglieder der türkisen 'Familie'" als Beschuldigte geführt werden: "Sebastian Kurz hat aus der Regierung ein zwielichtiges Kabinett gemacht. Das schadet unserem Land und dem Vertrauen in die Politik massiv."