Das Jahr 2021 lief sehr gut für die Österreichische Post. 184 Millionen Pakete wurden zugestellt - so viele wie noch nie zuvor. Pandemie und Lockdowns befeuern den Online-Handel, die Paketflut wächst rapide. Schon im ersten Coronajahr karrte die Post um 30 Prozent mehr Pakete durchs Land, 2021 brachte noch einmal ein Plus von 10 Prozent. Anfang Dezember frohlockte das teilstaatliche Unternehmen: „Es purzelt gerade ein Mengenrekord nach dem anderen. In den vergangenen drei Tagen wurden jeweils mehr als eine Million Pakete transportiert.“ 

Die Schattenseite dieses Paketwahnsinns erleben jene, die in der Hackordnung ganz unten stehen: Die Zusteller. Laut Postgewerkschaft arbeiten die Boten „seit zwei Jahren am Limit“.  Die Personalvertreter klagen über eklatanten Personalmangel, schlechte Arbeitsbedingungen und zu geringe Entlohnung

Einer dieser Zusteller, die zu Spitzenzeiten täglich zwischen 200 und 300 Pakete zustellen, war bis vor kurzem Peter K.. Der 37-Jährige begann seinen Postdienst im Jahr 2013 in Vorarlberg. Er zählt zum Kreis der begünstigen Behinderten und genießt dadurch einen umfassenden Kündigungsschutz. Der Vorarlberger Postgewerkschafter Franz Mähr hat Peter K. als „tüchtigen und fleißigen“ Kollegen in Erinnerung. Es habe ihn immer wieder erstaunt, wie gut K seinen Job machte, trotz 100-prozentiger Behinderung. Vor rund einem Jahr zog K. aus privaten Gründen ins Burgenland und arbeitete fortan als Zusteller in Eisenstadt.

Prämienaktion sorgt für Unmut

Am 11. Dezember des vergangenen Jahres – die vorweihnachtliche Paketflut steuert gerade auf ihren Höhenpunkt zu – verfolgt Peter K. eine hitzige Diskussion in einer privaten Facebookgruppe. Die knapp 2000 Gruppenmitglieder dürften größtenteils aktive und ehemalige Postmitarbeiter sein. Es geht um eine Prämienaktion, die im November 2021 im Rahmen eines Gipfelgesprächs zwischen Personalvertretern und Postvorstand ausverhandelt wurde. Während jenen Mitarbeitern, die über ein Konto bei der hauseigenen bank99 verfügen, 100 Euro überwiesen wurden, mussten sich jene Zusteller, die kein Konto beim Arbeitgeber eröffnet hatten, mit einem Gutschein für den ebenfalls hauseigenen Online-Marktplatz „shöpping“ zufriedengeben. Die Vorgehensweise der Postoberen sorgt bei zahlreichen Mitarbeitern für großen Unmut. Kritisiert wird etwa die „Ungleichbehandlung“ von Mitarbeitern, „obwohl alle die gleiche Arbeit verrichten“. Für viele liegt die Vermutung nahe, dass die Post ihre Mitarbeiter dazu bringen will, ein Konto beim eigenen Geldhaus zu eröffnen. 

Fristlos entlassen

Auch Peter K. macht seinem Ärger Luft. Er verfasst einen Kommentar, der bittere Konsequenzen haben wird: „Die Gutscheine soll sich der Pölzl in den Arsch stecken. Er soll einfach mehr Gehalt geben. (...)“, lässt er die anderen Gruppenitglieder wissen. Die rustikale Äußerung über Post-Generaldirektor Georg Pölzl dürfte in den höheren Etagen der Unternehmenszentrale am Rochusplatz in Wien schnell ruchbar geworden sein. Jedenfalls wird Peter K. vier Tage später um 7 Uhr früh von zwei Qualitätsmanagern aufgesucht und zur Sache befragt.  Er gibt zu, dass er den Kommentar geschrieben hat. Er habe einfach seine Meinung mitgeteilt, in einer Demokratie sei das wohl seine Freiheit, wird er in einer Niederschrift vom 15. Dezember 2021. Peter K. wird noch am selben Tag entlassen.  

Post-Generaldirektor Georg Pölzl
Post-Generaldirektor Georg Pölzl © APA/HANS PUNZ

Postgewerkschafter Mähr räumt zwar ein, dass der Facebook-Eintrag seines ehemaligen Kollegen unglücklich formuliert sei. Die Gutscheinaktion habe jedoch viele Mitarbeiter maßlos verärgert., Peter K. habe sich hinreißen lassen. Die Entlassung sei nicht verhältnismäßig, befindet der Gewerkschafter.  

Verhandlung am Donnerstag

Auch Rechtsanwalt Sanjay Doshi, der den geschassten Zusteller vertritt, findet die Reaktion der Post „überzogen“. Sein Mandant habe in keinster Weise die Absicht gehabt, den Generaldirektor persönlich zu beleidigen. „Allerdings empfindet die Geschäftsführung die an und für sich verständliche Kritik, die zugegebenermaßen etwas derb ausfiel, offenbar als Majestätsbeleidigung“, sagt Doshi auf Anfrage der NEUE am Sonntag. In seiner Klage, die er am Arbeits- und Sozialgericht in Wien eingebracht hat, hält er fest: „Es handelt sich um eine sozialadäquate Darlegung der beruflichen Unzufriedenheit.“

Ob das Gericht dies auch so sieht oder doch von einer groben Ehrverletzung ausgeht, wird sich zeigen. Die erste Tagsatzung findet am kommenden Donnerstag statt. Peter K. begehrt die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses. Die beklagte Post AG wollte auf Anfrage mit Verweis auf das laufende Verfahren keine Stellungnahme abgeben.