Die Jugend steht in der Kritik. Schon wieder. Diesmal lautet der Vorwurf "Feierwut": Die Jungen und Junggebliebenen – sagen wir die Generation U 25 – haben Parks und öffentliche Plätze in nächtliche Partyzonen verwandelt.

Wegen der Pandemie waren ihre sozialen Kontakte meist auf Zoom-Meetings beschränkt, selbst die Freunde aus der Schule oder der Uni bekam man nur am Laptop zu Gesicht. Jetzt bieten die frühsommerlichen Abende die Gelegenheit, Versäumtes nachzuholen.

Feiern, Tanzen, Trinken mit Freunden – alles, was seit Monaten untersagt war, ist wieder möglich. Zwar haben die Klubs weiterhin zu, aber die „Feierwütigen“ verlegen ihre Feste nach draußen, an den Donaukanal in Wien, auf die Passamtswiese im Grazer Stadtpark, in den Schillerpark in Klagenfurt.

"Ein Jahr verloren"

Anders als für 40- oder 50-Jährige sei „für junge Menschen ein Jahr ja eine ganze Welt“, sagt Cornelia Ehmayer-Rosinak, die in Wien als (Stadt)Psychologin tätig ist und sich auf den Umgang mit Konflikten im öffentlichen Raum spezialisiert hat. „Die haben wirklich das Gefühl, ein Jahr verloren zu haben.“ Entsprechend groß ist der Aufholbedarf; aber entsprechend groß sind auch die Folgen.

In Wien eskalierte zuletzt eine Freiluftparty am Karlsplatz: Die Polizei wurde mit Bierflaschen beworfen und setzte Pfefferspray ein, kurzzeitig wurde sogar ein Platzverbot verhängt. In Graz gehören nächtliche Schwerpunktaktionen längst zur Routine, bei der Beamte Lautsprecherboxen „sicherstellen“ und Dutzende Anzeigen schreiben. In Klagenfurt ist das Bild dasselbe.

Ehmayer-Rosinak bricht aber eine Lanze für die Jungen: „Im Grunde sind sie ja nicht aggressiv oder unleidlich – sondern einfach viele“, sagt sie. Und die Masse führt zu Konflikten.

In erster Linie mit Anrainern, die plötzlich nächtlichen Partylärm vor dem Schlafzimmerfenster haben. Und mit der Stadtverwaltung, die die zerbeulten Bierdosen und den zurückgelassenen Müll auf den Parkwiesen aufsammeln muss.

„Bei gesellschaftlich legitimierten Massenaufläufen – vom Public Viewing bis zum Aufsteirern in Graz – geben auch Erwachsene fürwahr kein Vorbild ab, was Alkoholmissbrauch, Müllproduktion und Rücksichtnahme auf Anrainer angeht“, sagt dazu Joachim Hainzl, Sozialpädagoge aus Graz, der sich seit Jahren mit der Nutzung des öffentlichen Raumes auseinandersetzt.

Hainzl versteht aber auch die Probleme der Anrainer, nicht zuletzt aufgrund eigener Erfahrungen: Deren Belastung dürfe man nicht kleinreden und wer selbst mit Studenten-WGs im selben Haus wohnt, wisse, dass sich „das Verständnis über die Nutzung von Nachtstunden gravierend unterscheidet“.

Was beide Fachleute vermissen: ein offensives Eingreifen der Politik. „Es braucht politische Führung und es braucht Kommunikations- und Konfliktarbeit“, sagt Ehmayer-Rosinak. In Wien gibt es „Fair Play“-Teams, die in Parks aktiv sind. „Solche mobile Teams oder eine Kombination aus Polizei und Sozialarbeit braucht es jetzt, sonst verhärtet sich das Problem.“ Und, ganz simpel, mehr Mistkübel und mehr öffentliche WC-Anlagen.

Weil, auch da sind sich die Fachleute einig: Die Parks und Plätze als Partyorte werden bleiben. In diesem Punkt hat die Pandemie den Finger in die Wunden der Stadtplanung gelegt: zu wenig Grünflächen, zu wenig Platz für Menschen. „Die Städte sind ja immer mehr zu Konsumzonen verkommen“, so Ehmayer-Rosinak. Das ändert sich jetzt und die Städte müssen nachziehen. Das tun sie teilweise, aber viel zu langsam.

Wenn die Nachtklubs wieder öffnen, werden sich die ganz großen Freiluftpartys abschwächen, aber Ehmayer-Rosinak ist überzeugt: „Der öffentliche Raum wird für die Jungen weiter attraktiv bleiben.“ Darauf müssen sich die Städte einstellen.