Gestern endeten die Duma-Wahlen in Russland. Laut Prognosen lag die Kreml-Partei voran, wenn auch mit Verlusten. Klar war: Die Liste der Manipulationen und Betrügereien bei dem Urnengang war lang. Das begann mit propagandistischer Dauerbeschallung in den Staatsmedien und reicht bis zum waschkörbeweisen Auffüllen von Wahlurnen mit vorgefertigten Stimmzetteln. Ganz zu schweigen davon, dass die meisten echten Oppositionskandidaten gar nicht antreten durften: Vor allem galt das für den härtesten Gegner von Präsident Wladimir Putin, den inhaftierten Alexei Nawalny, sowie für seine Mitstreiter.

Der Versuch des Nawalny-Teams, den Kreml über das sogenannte kluge Wählen (Smart Voting) trotzdem in Verlegenheit zu bringen, scheiterte am nochmals verschärften Zugriff der Staatsmacht auf das Internet. Die US-Konzerne Apple und Google, die sich gern als Vorkämpfer für die Freiheit im weltweiten Web vermarkten, knickten ein und nahmen die Nawalny-Apps aus dem Angebot. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kapitulierte früh und schickte erst gar keine Beobachter nach Russland. Es hätte auch wenig Sinn ergeben, weil der Kreml nur ein paar Dutzend Kontrolleure einreisen lassen wollte – in ein Land, das sich über 9000 Kilometer und elf Zeitzonen auf zwei Kontinenten erstreckt.

Nein, diese Duma-Wahl genügte keinerlei demokratischen Mindeststandards. Sie war laut Beobachtern sogar noch unfreier und unfairer als alle vorangegangenen Wahlen im postsowjetischen Russland. Der Hauptgrund dafür ist Unsicherheit. Offenkundig hegen Präsident Putin und seine Polittechnologen kein echtes Zutrauen in die Strahlkraft des eigenen Tuns.

Mehr noch: Im Kreml herrscht eine latente Angst vor dem eigenen Volk. Das zeigte sich schon vor gut einem Jahr. Damals ließen die Massenproteste in Belarus bei Putin alle Alarmglocken schrillen. Schließlich schien Alexander Lukaschenko in Minsk nicht weniger fest im Sattel zu sitzen als Putin in Moskau. Doch dann wurde schlagartig klar, dass ein Vierteljahrhundert der Einmannherrschaft bei stagnierender Wirtschaft und gelähmter Gesellschaft fast automatisch den Wunsch nach einem Wandel im Land wachsen lässt.

Für Russland gilt deshalb: Nach der Duma-Wahl ist vor der Präsidentschaftswahl. Im Jahr 2024 muss Präsident Putin persönlich wieder auf den Prüfstand. Durchmanipulieren wird dann nicht mehr reichen. Wenn der Kremlherrscher, der bei der vergangenen Wahl bekanntlich noch ein Rekordergebnis von 77 Prozent erreichte, nicht als ein alternder und schwächelnder Regent dastehen will, muss er gerade in den kommenden drei Jahren das Steuer herumreißen und in Russland eine Aufbruchsstimmung erzeugen wie zuletzt nach der Krim-Annexion 2014.

Und eben damit wächst auch die Gefahr von neuen außenpolitischen Aggressionen.