Die Chat-Häppchen gehen in die Verlängerung. Sie kennen das neueste SMS aus den 300.000 beschlagnahmten Chats des Thomas Schmid? Es lautet: „Kurz kann jetzt Geld scheißen.“ Geschrieben hat er es – nein, nicht als Bub in der Sandkiste – er hat es 2016 als Generalsekretär im Finanzministerium ins Handy getippt, da das Außenministerium im Budget mit zusätzlichen 160 Millionen bedacht worden ist. Strafrechtlich relevant? Natürlich nicht, aber „abstrakt relevant“ für den U-Ausschuss. Für den Staatsanwalt in weiterer Folge aber „ein Baustein“ für späteren Postenschacher in der ÖBAG. Immerhin hat Thomas Schmid damals auch an Kurz geschrieben: „Du schuldest mir etwas.“ Was sich der Staatsanwalt fragen könnte? Ob es auch ein „Baustein“ wäre, wenn Schmid geschrieben hätte „Das Außenministerium schuldet mir etwas“ oder „Entwicklungsländer schulden mir etwas“.

Wie viele solcher privaten Chats häppchenweise noch bekannt werden? Und wen interessieren noch Ibiza oder Strache? Der Ibiza-U-Ausschuss mutiert zum Chat-U-Ausschuss, zu einem Ausschuss, in der das Recht auf Privatsphäre zum Fremdwort wird. Gut so? Bei dieser Frage verlaufen die Frontlinien quer über heimische Küchentische. „Nicht gut, irgendwann trifft es dann jeden“, rufen die einen. „Absolut gerechtfertigt und wichtig“, rufen die anderen. Die Lösung, um das Recht auf Privatsphäre zu bewahren, hat die Präsidentin der Vereinigung der Staatsanwälte, Cornelia Koller, gestern Abend in der ZiB 2 präsentiert. U-Ausschüsse und laufende Strafverfahren sollten nicht mehr parallel geführt werden. Denn Staatsanwälte müssen Chats, die strafrechtlich nicht relevant sind, vernichten. Aber nicht wenn gleichzeitig ein U-Ausschuss tagt und der Verfassungsgerichtshof für die Weitergabe der „abstrakt relevanten“ privaten Chats grünes Licht gibt.

Ob Richter und Staatsanwälte kritisiert werden dürfen, ohne postwendend mit dem Vorwurf gebrandmarkt zu werden, den Rechtsstaat aus den Angeln heben zu wollen? Ein Leser hat geschrieben, ich möge an SPÖ-Justizminister Broda erinnern, der 1963 dem Verwaltungsgerichtshof sogar „Justizputsch“ vorgeworfen hat, weil dieser einer Säumnisbeschwerde von Otto Habsburg stattgegeben hat. Er habe deshalb aber sicher nicht den Rechtsstaat infrage gestellt. Wo verlaufen also die „roten Linien“? Und was passiert, wenn sie überschritten werden? Da treibt es der Frontfrau der Neos sogar „auch als Mutter die Sorgenfalten auf die Stirne“, wie sie im ORF bekannte.

Ein Wunsch des Malers Hermann Nitsch rückt da in weite Ferne. Er meinte im Interview mit Kollegin Julia Schafferhofer, er wünsche sich, dass Politiker irgendwann eine Erleuchtung bekämen. Politik sei, sagt er, ein absurdes Spiel ohne Ende.

Absurd mutet derzeit vieles an. Da wird die Einflussnahme der Regierung bei der Wahl von Aufsichtsräten in der Rubrik „Postenschacher“ verkauft. Als ob es nicht Aufgabe jeder Regierung und jedes Regierungschefs ist, sicher zu stellen, dass kompetente Aufsichtsräte Staatsunternehmen kontrollieren. Bestätigt wird sich Hermann Nitsch auch fühlen bei einer Antwort der Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger auf die Frage, was sie davon halte, dass auch die Neos in ihrem Regierungsübereinkommen in Salzburg die Entsendungsrechte in Aufsichtsräte nach dem Stärkeverhältnis der beiden Parteien festgelegt haben. Ihre Antwort? „Es ist immer die Frage, mit welcher Brutalität das hergestellt wird.“

Eine Antwort, die ratlos machen könnte, wenn man nicht wüsste, dass vieles ein absurdes Spiel ist.

Wer aber darf die Staatsanwaltschaft kritisieren? „Man muss sich nicht alles gefallen lassen, was die Staatsanwaltschaft tut“, betonte eine prominente Juristin im ORF. Ob sie mit dieser Kritik den Rechtsstaat in Frage stellt? Natürlich attackierte die Präsidentin der Richtervereinigung, die dies sagte, nicht den Rechtsstaat. Sie verwies darauf, dass es immer um das „wie“ ginge. Um das „wie“ dürfte es auch jenen gehen, die dem U-Ausschuss und den Verfassungsrichtern vorwerfen, Privates öffentlich zu machen. Oder die - wie der türkise Fraktionsführer Andreas Hanger - einem Staatsanwalt vorwerfen, politisch befangen zu sein. Ob ein solcher Vorwurf erlaubt sein darf oder aber, wie gestern die Chefin der WKStA, Ilse-Maria Vrabl-Sanda im U-Ausschuss kritisierte, der Versuch einer Einschüchterung ist und deshalb nicht geäußert werden darf? Natürlich darf er. Und natürlich kann es auch ein Versuch der Einschüchterung sein. Aber Staatsanwälte können sich wehren. Vrabl-Sanda beweist es.

Der türkise Fraktionsführer könnte allerdings auch auf ein offensichtliches Paradebeispiel möglicher Befangenheit verweisen, auf seinen Parteifreund Wolfgang Sobotka als Ausschuss-Vorsitzender. Womit wir wieder bei Hermann Nitsch und seiner Definition von Politik als absurdes Spiel ohne Ende wären.
Einen schönen Tag ohne besondere Absurditäten wünscht Ihnen