Mein Kollege macht gerne den Witz, ich sähe inzwischen von hinten so aus wie Sepp Forcher von vorn. Sepp Forcher ist im Dezember 90 Jahre alt geworden und zu seinem Geburtstag organisierte der ORF eine Feier. Auf dieser Feier wurde ihm feierlich ein Geschenk überreicht. 200 Mal hat der Herr Forcher die Sendung „Klingendes Österreich“ moderiert. Was, so fragte ich mich, würde der ORF ihm wohl schenken? Einem derart verdienten Jubilar, der noch dazu seinen Abschied vom Bildschirm verkündet hatte? 90 Jahre, 200 Sendungen und Dienstende – was wäre dem ORF so ein Anlass wohl wert?

Sepp Forcher bekam einen bemalten Stein. Ein Stein, auf den mit Wasserfarben das ORF-Logo gemalt war. Wow, dachte ich. Immerhin nicht nichts. Aber ein Stein? Den wahrscheinlich ein Praktikant bemalen musste? Mehr nicht? Gut, es war kein Kieselstein, aber auch kein seltener Edelstein. Eher so ein Stein, den man auf Baustellen findet. Das also war dem Unternehmen Forchers jahrzehntelange Bildschirmpräsenz wert. Forcher selbst wirkte nicht gerade euphorisch, als er sein Geschenk entgegennahm.

„Willkommen Österreich“ feiert demnächst die 500. Sendung und ich fürchte mich bereits. Der ORF hat angekündigt, nach der Aufzeichnung eine kleine Feier zu machen. Pandemiebedingt sehr klein natürlich. Vielleicht gibt’s eine Zoomkonferenz mit der ORF-Führung? Oder der Praktikant kommt mit zwei Steinen vorbei, die er wieder selbst bemalt hat? Wäre dem ORF das überhaupt zwei Steine wert? Oder müssten mein Kollege und ich den Stein als Wanderstein verwenden. Eine Woche ich, eine Woche er. Natürlich ist es möglich, dass wir gar keinen Stein bekommen, sondern bemaltes Altglas oder vielleicht bekommen wir auch ein Foto von Forchers Stein. Tatsächlich wünsche ich mir, dass gar nichts passiert. 500 Sendungen sind ja kein Meilenstein. Welche Kindergärtnerin bekommt einen Preis, wenn sie die 500. Rotznase eines Kindes abwischt? Und welche Leserin der Kleinen Zeitung eine goldene Ausgabe nach 500 gekauften Exemplaren?

Meine Vorfahren kommen aus dem Ruhrgebiet, wo sie 500 Meter tief nach Kohle gruben, mit bloßen Händen. Was bekamen sie? Husten. Der ehemalige Chef des Orpheums in Graz bekam jahrelang von seinen Neffen selbst gemalte Bilder zu Weihnachten und zum Geburtstag. Als die Neffen älter wurden, begann er, ihnen aus Rache auch nur mehr Selbstgemaltes zu schenken. Die Neffen verfluchten den Onkel, aber der Onkel hatte eine große Freude an seiner Idee. Vielleicht malt uns Alexander Wrabetz ein Bild zur 500. Sendung. Vielleicht ein Porträt, wie wir aussahen vor 500 Sendungen. Deutlich jünger. Ich sah damals von hinten noch so aus wie Brad Pitt von vorn. Und mein Kollege hatte noch Haare, mit denen er, von jeder Seite aus betrachtet, so ausgesehen hatte wie der Fußballer Andi Ogris. Ogris und Pitt, das wär auch ein guter Name für ein Moderatorenduo.