Kochen Sie selbst, Herr Rosam?
WOLFGANG ROSAM: Ich bin der Sommelier des Hauses und kümmere mich um den Weinkeller. Wir sind nicht die großen Köche zu Hause, aber einer der größten User der Lieferdienste. Wir haben mittlerweile alle Restaurants, in die wir sonst auch gern essen gehen, getestet. Es ist erstaunlich, wie flexibel die Betriebe sind, wie schnell sie umgestellt haben auf einem hohen Level. Davor habe ich höchsten Respekt. Die Krise hat Gastronomieunternehmer und Wirte gezwungen, neue Geschäftsfelder aufzutun, das wird nicht mehr verschwinden.

Paprikahendl, Gulasch und Krautfleisch – österreichweit wird bodenständiges Essen im Glas verschickt, auch aus Spitzenhäusern. Was bleibt davon nach Corona?
WOLFGANG ROSAM: Die Krise wird vorbei sein, aber das Onlinegeschäft wird sich weiter ausdehnen. Es gibt Studien, die sagen, dass in den letzten Monaten mindestens fünf Jahre im Ausbau der Onlinedienste in der Gastronomie gewonnen wurden. Wenn man der Wahnsinnspandemie etwas Positives abgewinnen kann: Das hat sie beschleunigt. Die am öftesten abgerufenen Rezepte auf unserer Website waren übrigens Tafelspitz, Wiener Schnitzel und Zwiebelrostbraten – Hausmannskost aus Österreich war am meisten gefragt.

Freut Sie die Wiederentdeckung der heimischen Küche?
WOLFGANG ROSAM: Das freut mich sogar ganz besonders! Dieser permanente Diätwahn heute ist kontraproduktiv für Falstaff, Genuss steht an zweiter, dritter Stelle, nichts darf mehr schmecken. Das hat sich in dieser Zeit ein wenig geändert. Jetzt darf wieder ein bisserl Fett dabei sein, weil man gesehen hat, dass es der Psyche guttut, wenn man sich ab und zu etwas gönnt. Man muss ja nicht übertreiben, aber Genuss ist die Medizin gegen Coronafrust.

Zu Hause wird wieder kräftig aufgekocht. Seit dem ersten Lockdown hat Homecooking einen anderen Stellenwert. Wie bestimmend ist diese Entwicklung für unser künftiges Kochverhalten?
WOLFGANG ROSAM: Viele Menschen haben etwas entdeckt, was für unsere Eltern und Großeltern selbstverständlich war, für manche aus der jüngeren Generation hat sich ein völlig neues Tor geöffnet – man hat gesehen, wie schön, wie inspirierend Kochen ist. Das Erfolgserlebnis, das man hat, wenn es fertig ist, das Lob, das man dafür bekommt. Das ist der zweite große Trend, der dauerhaft sein wird: Auch nach Corona wird viel mehr gekocht werden als zuvor, das Interesse ist geweckt. Einen riesigen Boom wird es bei Kochkursen geben.

Auch das Bewusstsein für regionale und saisonale Lebensmittel hat sich verstärkt. Wird sich das halten oder erleben wir einen Rückschritt, weil die Sehnsucht nach dem Reisen, der Ferne größer ist?
WOLFGANG ROSAM: Sicher wird man wieder wegfahren und in Italien, Thailand oder China die heimische Küche genießen. Aber diese Renaissance der regionalen Küche wird bleiben und sich weiter verstärken.

Gastronomie und Hotellerie liegen im Argen – welche Chancen können der Krise entwachsen?
WOLFGANG ROSAM: Auf die Regierung wird massiv geschimpft, als hätte sie das Virus erfunden. Weltweit geht es keiner Regierung anders. Die 80 Prozent Umsatzersatz haben vielen Betrieben geholfen. Wenn die Gastronomie im März mit all den Auflagen wieder öffnet, dann wird es anfangs nicht der große Run sein, aber die nächsten zwei, drei Jahre werden sie wieder stark nach vorne bringen. Ein Jahr lang haben wir mitbekommen, was uns da abgeht. Wir werden es umso mehr genießen. Es ist wie in einer Beziehung – man weiß oft erst, was man am anderen hat, wenn er weg ist. Es wird eine neue Beziehung von Gast und Wirt entstehen. Das gemeinsame Comeback wird sehr emotional sein. Da treffen sich alte Freunde wieder. Ein Phänomen, das uns Corona beschert hat.

Was würden Sie als PR-Profi Gastronomen für die Zeit nach dem Lockdown empfehlen?
WOLFGANG ROSAM: Sobald feststeht, wann es wieder losgeht, sollte man seine Telefondatei durchgehen und den Gästen mitteilen, wie sehr man sich freut, sie wieder begrüßen zu dürfen. Es verstärkt die Sehnsucht der Gäste, wenn man die Einladung aktiv ausspricht. Zum Wirt zu gehen, heißt auch, ein Stück Heimat zu haben. Man könnte den Gästen die Speisekarte zukommen lassen. Im Lokal dann ein Begrüßungsdrink. Wirt zu sein, bedeutet auch, Kommunikator zu sein.

Wird ein Coronatest vor dem Essen die Lust auf einen Restaurantbesuch schmälern und für leere Lokale sorgen?
WOLFGANG ROSAM: Das ist die zweite Sache, die man kommunizieren muss. Der Wirt muss dem Gast Sicherheit geben. Kein Pardon, nicht mit Augenzwinkern, sondern mit den nötigen Abständen und FFP2-Maske. Die Botschaft muss sein: Wir nehmen das ernst, deine Sicherheit liegt uns am Herzen, wir wollen dich nicht verlieren. Man schafft eine gemeinsame Vertrauensbasis, wenn man auf die Gesundheit des Gastes achtet, keinen Mitarbeiter krank arbeiten lässt. Das ist die wichtige Botschaft, neben all der Freude und dem Genuss, die wir wieder haben können. Ein sicheres Gefühl muss das Credo sein.

Wo liegen dieser Tage die Herausforderungen, wenn man ein Gourmetmagazin wie den „Falstaff“ herausbringt?
WOLFGANG ROSAM: Ich bin mit Leib und Seele Herausgeber und muss meine Gemütslage mit der meiner Leser in Einklang bringen. Beim neuen Cover hat mir mein Bauchgefühl gesagt: Pasta! Coronafood Nummer 1. Gleichzeitig hat mich geärgert, dass man die Politik geradezu hasserfüllt angegriffen hat. Also hat es Don Camillo aufs Cover geschafft.

Noch auf einen kurzen Sprung in Ihr Heimatland Kärnten. Wie ist es im Süden Österreichs um die Gastronomie bestellt?
WOLFGANG ROSAM: Kärnten hatte eine gute Sommersaison, das trifft auch auf die Steiermark zu. Man hat die Heimat neu entdeckt, ist innerhalb Österreichs unterwegs und die Kulinarik spielt dabei eine enorme Rolle. Jedes Bundesland tut gut daran, sie ganz vorn anzustellen.