Jeden Abend ein kleines Trennungsritual: Sie biegt nach links in ihr Schlafzimmer ab, er geht nach rechts in seines. In der Früh trifft man sich wieder. Kann eine Partnerschaft dieses nächtliche Leben auf Distanz auf Dauer aushalten? Kippt man damit nicht die Romantik in einen Tiefschlaf? Oder ist es umgekehrt ein Zeichen von Respekt und Rücksicht, wenn man dem anderen zumindest in der Nacht seine Ruhe lässt? Einem tradierten Familien- und Wohnbild zufolge gehören in einen gemeinsamen Haushalt jedenfalls ein gemeinsames Schlafzimmer und ein gemeinsames Doppelbett. Denn das Berühren, Aneinanderkuscheln, Umarmen erzeugt jenes Gefühl von körperlicher Nähe und Geborgenheit, das es als Sediment für eine glückliche Beziehung braucht.

Aber die Romantik kann leicht Risse bekommen. Dann nämlich, wenn zwar im Wachzustand Harmonie vorherrscht, sich die Schlafgewohnheiten aber derart voneinander unterscheiden, dass sich im wahrscheinlichsten Fall Schlaflosigkeit bei zumindest einem, im schlimmsten Fall Ärger bei beiden einstellt. Sie klagt: „Du schnarchst so laut!“ Er klagt: „Du wälzt dich ständig hin und her!“ Sie: „Ich will noch etwas lesen!“ Er: „Ich möchte noch fernsehen!“ Sie: „Mir ist bei offenem Fenster zu kalt!“ Er: „Mir ist es bei geschlossenem Fenster zu warm!“ Im Duett: „Ich kann so nicht einschlafen!“

Dazu noch divergierende Ansichten, ob es mit einer großen Decke grundsätzlich gemütlicher ist als mit zwei Einzeldecken. Ob zwei unterschiedlich harte, auf das jeweilige Körpergewicht und die bevorzugte Schlafstellung angepasste Matratzen nicht besser wären als eine gemeinsame zu weiche/harte Schlafunterlage. Ob sie schuld am Schlafraub ist, weil sie sich ständig von einer auf die andere Seite wälzt. Oder ob er der Traumdieb ist, weil er mehrmals in der Nacht aufsteht, um das Klo oder den Kühlschrank zu besuchen. Oder ob es nur einfach berufsbedingt asynchrone Schlaf- und Aufstehgewohnheiten sind. – Es ist ein fruchtbarer Acker für saftige Konfliktfrüchte aller Art.

Getrennte Schlafzimmer können da zur Befriedung beitragen. Denn was auf den ersten Blick wie ein aus der Zeit gefallenes, mittelalterliches Keuschheitsritual aussieht, kann die Erholung zurückbringen, für die die Natur den Schlaf vorgesehen hat. Diese „Vereinzellung“ ist der Beweis, dass die Menschen ihrer eigenen Geschichte radikale Wendungen zumuten. Denn als unsere Urahnen noch in Höhlen lebten, schliefen sie ganz selbstverständlich in Großgruppen. Diese Zusammenrottung innerhalb der Sippe bot Wärme und Schutz vor feindlichen Angreifern.
Mit fortschreitender Entwicklung und wachsendem Wohlstand zog zwischenmenschliche Distanz in die Schlafräume ein. Aus gemeinsamen Schlafflächen für die ganze Familie wurden irgendwann getrennte Betten, später getrennte Zimmer für Eltern und Kinder.

Den Paarschlaf datieren Forscher als Kind des Bürgertums auf das Biedermeier Anfang des 19. Jahrhunderts. Dieses Bild brannte sich in unseren Breiten als idealtypisch für eine Partnerschaft in die Stammbücher der Gesellschaft ein. Mittlerweile kennt man aber ausreichend Gründe, um es im Bedarfsfall aufzubrechen. Schlafforscher haben zum einen grundsätzliche geschlechtsspezifische Unterschiede herausgefunden: Gesunde Frauen brauchen demnach eher mehr Schlaf und haben auch mehr Tiefschlafphasen als Männer. Frauen schlafen zudem besser, wenn sie alleine im Bett liegen; Männer dagegen profitieren von der Nähe der Partnerin, so eine Studie der Universität Wien. Frauen haben hingegen einen leichteren Schlaf und sind empfindlicher, wenn sie darauf gepolt sind, nachts das Wimmern oder Weinen eines der Kinder zu registrieren.

Wer wach zum Schafe-Zählen verurteilt ist, weil er auf das Kind achten muss oder weil der Matratzennachbar einen ganzen Tannenwald in Kleinholz zersägt, in dem wird jedenfalls das Gefühl gären, dass das eigene Wohl dem anderen egal ist. Das ist Sprengstoff für die Partnerschaft, warnen Psychologen und Familientherapeuten. Denn wenn sich ein Partner durch den anderen ständig im Schlaf gestört fühlt, kann das eine Beziehung ernsthaft und nachhaltig belasten.
Sie raten zu einer offenen Aussprache (um unausgeschlafenen Missverständnissen keinen Platz zu lassen). Manchmal helfen kleine Umstellungen. Zum Beispiel, einfach die Bettseite zu wechseln. Klingt banal, weil durch die meisten Schlafzimmer ohnehin eine unsichtbare Symmetrieachse verläuft: links wie rechts gespiegelt dieselbe Bettwäsche, dasselbe Nachtkasterl, dieselbe Lampe. Aber es gibt die Theorie, dass Männer (zumindest Rechtshänder) gerne auf der linken Seite schlafen, weil sie so ihre Partnerin mit ihrem stärkeren rechten Arm besser beschützen können.

Manchmal nützt es aber erst, es mit getrennten Schlafzimmern zu versuchen. Zumindest auf Zeit. Denn ganz auf ein gemeinsames Schlafzimmer zu verzichten bedeute, „dass die Partner körperlich auf Abstand gehen“, warnt Paar- und Sexualtherapeut Friedhelm Schwiderski. Das setze einen Prozess in Gang, „der nur schwer wieder rückgängig zu machen ist“.