Der See von Ragogna ist ein Kleinod mit vielerlei Gesichtern. Die Gemeinden Ragogna und San Daniele del Friuli teilen sich das Gebiet um den See, der durch einen Gletscher gebildet wurde. Die Prosciutto-Stadt San Daniele ist mit dem Kärntner Millstatt verpartnert, Ragogna mit Weitensfeld im Gurktal.

Rund um den See von Ragogna führt ein breiter, geschotterter Weg, den Einheimische gerne zum Spazieren nutzen. Auf dem Weg, der als Teil des österreichisch-italienischen Interreg-Projekts „WalkArt“ von 2014 bis 2020 über soziale Medien als „Via Del Tagliamento–Allemagna“ mit EU-Förderung vermarktet wurde, begegnet man Radfahrern und ein paar Autos oder landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen.

Biobauer Miatto mit Eselin Lulu
Biobauer Miatto mit Eselin Lulu © STEPHAN SCHILD

Unmittelbar am Weg liegen Felder, die eine Handvoll Bauern bewirtschaften. Direkt neben dem beschaulichen See haucht Biobauer Matteo Miatto dem Gebiet auf das Charmanteste Leben ein. Den 28-Jährigen trifft man fast jeden Tag bei der Arbeit auf seinem Hof an. In der Erntezeit steht Miatto an Samstagvormittagen bis 12 Uhr mit einem Standerl am Parkplatz vor dem See, um Spezialitäten aus seiner Landwirtschaft feilzubieten.

Dazu zählen zum Beispiel kleine rote, nicht scharf, aber herzhaft schmeckende Paprika. Derzeit versorgt Miatto 250 frei laufende Hühner, zwei Kühe, 15 Schafe, eine Handvoll Schweine, Enten, Gänse, Truthähne und auch den Star des Bauernhofes: Eselin Lulu. Sie lässt sich gerne putzen und streicheln, frisst den mitgebrachten Apfel zwar aus der Hand, aber nicht mehr, wenn er in den Gatsch gefallen ist. Zum Streicheln kommen auch gleich die zwei Hunde Leo und Whisky gefolgt von ein paar Katzen auf die Besucher zu.

Gäste sind auf dem Bauernhof, der auch einen Ab-Hof-Verkauf anbietet, sichtlich herzlich willkommen. Matteo Miattos Schwester Silvia (25), die mit einem Erasmus-Stipendium in Graz studiert hat, organisiert mit ihren Freundinnen oft Familientreffs, bei denen Kinder – didaktisch unterstützt – alle Tiere kennenlernen dürfen. Sehr schön ist es am Bauernhof in den warmen Monaten. Und frisch vom sonnengetränkten Feld schmeckt das angebaute Gemüse halt doch am besten.

„Mein Onkel Nicola hat vor rund zehn Jahren mit einer Schafherde einen kleinen Fleck bewirtschaftet. Seit ich vor zwei Jahren übernommen habe, konnten wir uns durch den Ankauf kleiner Flächen vergrößern. Weil wir in einem Natura-2000-Gebiet sind, dürfen wir aber nur wenige Holzbauten aufstellen. Ohne Fundament. Der Rest ist daher mobil“, sagt Matteo Miatto. Ziel des Projektes sei, im Einklang mit der Natur zu leben. Derzeit lässt diese Kohl und Radicchio unter freiem Himmel wachsen.

Das Schloss Ragogna mit Blick auf den Tagliamento
Das Schloss Ragogna mit Blick auf den Tagliamento © Nicola Simeoni/stock.adobe.com (Nicola Simeoni)

Liegen die Temperaturen tagsüber im Winter zwar über dem Gefrierpunkt, sinken diese in den Nächten häufig leicht unter null. Der See ist von dünnem Eis überzogen, darauf spiegeln sich die schneebedeckten Gipfel der Bergkette im Norden. Bei Sonnenuntergang leuchten die Berge an manchen Tagen sogar in knalligem Rosarot.

Beobachten kann man die Berge nicht nur von einem zweistöckigen Holzturm aus, auf dem man auch die Informationen findet, welche Erhebungen zu sehen sind. Der Blick auf die Berge ist ein ständiger Begleiter beim Seerundgang. Auf einem dieser kleinen Berge, dem nur wenige Kilometer entfernten Muris, prangt ein großes aus Steinen geformtes Herz.

Aber nicht nur diese Besonderheit erwartet Besucher beim Spaziergang. Zwischen Pappeln wachsen wild junge Palmen. Sonst erblickt man sie nur, wenn man genau hinschaut. Im Winter stechen sie umso mehr hervor, weil sie grün sind, während die Bäume rundherum keine Blätter tragen. Zu Frühlingsbeginn färben Primeln die saftig grünen Wiesen bunt. Im Sommer marschiert man, flankiert von Mais und Soja, durch die schon am Vormittag aufgeheizte Landschaft, in der oft eine Brise erfrischt. Gelsenschutz ist unbedingt empfehlenswert.

Der Lago di Ragogna, in dem man zwar fischen, aber nach mehreren tödlichen Unfällen nicht mehr schwimmen darf, ist in jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Man entdeckt auch eine Reihe historischer Spuren: Auf Höhe des Brückchens des Flüsschens Repudio findet man den 1735 gegründeten jüdischen Friedhof, dessen älteste Gräber auf das Jahr 1742 zurückgehen. Der Friedhof ist versperrt.

Zwei andere Artefakte der Gegend, eine große, ehemalige Zugvögel-Fangfalle und eine Ausgrabungsstätte, sind hingegen begehbar.

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