Ganz versteckt, am Ende einer Sackgasse, tut sich im Hinterland von Grado ein Ferienparadies auf. Die letzten etwa 50 Meter, die zum Besucherzentrum Gradina führen, fährt man auf einer steinigen, ungepflasterten Straße. An ihrem Ende ist die Aussicht atemberaubend. Rundherum bietet der Karst eine Sicht auf das Meer, die keinen Horizont kennt. Da kann das Auge schweifen, so weit es will.

Oder man blickt konzentriert auf die Erhebungen im Norden und Osten. Einige Wegweiser zeigen die weitläufigen Wanderwege an, die einem das Gefühl vermitteln, dass man mit der Natur ganz alleine ist. Bis in den Jänner hinein kann man in der Sonne meistens noch mit leichtem Wintergewand spazieren. Und dann? Ist das Gebiet ja so nah am Meer und ab Ende Februar ziemlich bald wieder vorfrühlingshaft. Dieser Tage fühlt man sich hier wie im Spätherbst.

Die Landschaft hat manchmal auch einen Fluss zu bieten
Die Landschaft hat manchmal auch einen Fluss zu bieten © bepsphoto/stock.adobe.com (Photographer: Giuseppe Anello)

Spaziert man vom Besucherzentrum Gradina den Weg entlang, der zur Hütte „Casa Cadorna“ führt, sieht man von oben den Lago di Doberdò (Doberdò-See). Sein Pegelstand hängt von der Wassermenge ab, welche die zwei Flüsse Vipacco und Isonzo führen.

Karstseen sind in Europa überhaupt eine Rarität. Zwei Ortsteile der rund 1300 Einwohner zählenden Gemeinde Lago di Doberdò, nämlich die Seen Doberdò und Pietrarossa (roter Stein), liegen im regionalen Naturschutzgebiet.

Diese Feucht- und Trockenzonen bilden den Lebensraum für diverse Tierarten, darunter den Grottenolm (Proteus anguinus). Aber auch die „trockene“ Landschaft ist ein Blickfang. Sie zeigt sich je nach Jahreszeit in verschiedensten Farben.

Letizia Kozlan, Biologin bei der Kooperative „Rogos“
Letizia Kozlan, Biologin bei der Kooperative „Rogos“ © SCHILD

Mit diesem Lebensraum beschäftigt sich Letizia Kozlan. Sie arbeitet als Biologin bei der „Rogos“. Die kooperative Gesellschaft verwaltet das Naturschutzgebiet und das Besucherzentrum Gradina, das ein Restaurant, einen Beherbergungsbetrieb, einen Spielplatz und ein Museum umfasst. Weiters beobachtet die „Rogos“ Fauna und Flora des Naturschutzgebiets. In diesem Lebensraum ist auch die Universität Triest mit Projekten tätig.

In den vergangenen Jahren galt es, das zunehmend zuwuchernde Karstland wieder von Weidevieh kultivieren zu lassen. Vor allem Esel wurden angesiedelt. Zwischen März und August blühen die schönsten Pflanzen des Karstgebietes auf den Wiesen. Sie liefen Gefahr, durch die Vernachlässigung traditioneller Landschaftspflege zu verschwinden.

Heute hat das Gebiet eine „Natura 2000“-Widmung: Dieses Karstland ist so speziell, weil sein Ökosystem aus halbtrockenen und trockenen Wiesen auf Kalkboden liegt. Das sorgt für eine sehr artenreiche Vogel- und Pflanzenwelt. Zu den rund 190 gezählten Vogelarten zählen einige Spechte. Eines der wissenschaftlichen Projekte widmet sich den Goldschakalen (Canis aureus).

Diese Schakale sind etwas größer als Füchse und kommen aus Osteuropa, allerdings gibt es immer mehr von ihnen im Karstgebiet. Eine Gruppe Goldschakale hat sich in den vergangenen Jahren dort angesiedelt. Sie wird mittels Fotofallen beobachtet und Lautsprecher senden Schakalgeheul aus, um die scheuen Tiere zur Antwort zu bewegen. „In der Dämmerung wird die Schakalgruppe durch die ähnlichen Frequenzen des Glockenläutens der Dorfkirche manchmal zum Mitheulen verleitet“, sagt Kozlan bei der Führung durchs Museum am Areal.

Scheue Goldschakale haben sich im Karst angesiedelt
Scheue Goldschakale haben sich im Karst angesiedelt © WildMedia/stock.adobe.com

Dort erfährt man bei freiem Eintritt mehr: über die geologische Beschaffenheit der Karstlandschaft und die Veränderungen seit der Erstbesiedelung der Höhlen, über die Bronze- und die Römerzeit, den Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart.

Kinder schnappen sich neuerdings kostenlos eine „Frottage“-Unterlage. Mit der „Frottage“, einer Zeichen- und Drucktechnikunterlage, verarbeiten sie die gewonnenen Informationen spielerisch. Dafür legt man ein Blatt auf die abzubildende Unterlage und setzt den Stift locker an.

In der Bar und dem Restaurant neben dem Museum ist der Ausblick inklusive. Sieben Zimmer mit 20 Betten und einer zentralen Wohnküche werden für den urigen naturnahen Urlaub vermietet. Wer mit der Kooperative „Rogos“ lernen will, meldet sich zu Veranstaltungen wie geführten Wanderungen oder Fotokursen an.

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