Die Dolomiti friulane kennen viele. Aber kennen Sie Boscut di Pala oder die Costa Filador? Der in Dordolla „hängen gebliebene“ Engländer Christopher Thompson nennt in seinem sehenswerten Film - und dem gleichnamigen Buch - die friulanischen Berggebiete „The New Wild“.

Und so ist auch der erste Eindruck. Wer schon einmal bei einer Fahrt ans Meer nach dem letzten Autobahntunnel vor der Ebene nach Westen geblickt hat, konnte zumindest den „Rand“ dieser wildromantischen Landschaft erspähen. Für einen Aufenthalt über mehrere Tage empfiehlt sich eine Art „Basislager“. Zum Beispiel bei „Da Luigi“ in San Francesco oder in der „Villa Margherita“ in Anduins.

Bei Forgaria beruhigt sich der Arzino
Bei Forgaria beruhigt sich der Arzino © KK

Die größeren Straßenverbindungen gehen von Norden nach Süden und umgekehrt. Von Tolmezzo nach Forgaria oder, weiter westlich, von Mediis bei Ampezzo nach Maniago. Die einzige Querverbindung, von San Francesco nach Tramonti, wird in der Gegend von Pradis endgültig zum Labyrinth. Dazwischen mehr Wildschweine als Menschen, verlassene Dörfer und unberührte Macchia - Buschwald, so weit das Auge reicht.

Wie unberührt die Gegend ist, verdeutlicht eine Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg, auf dessen Spuren man auch heute noch stößt. Ein gewisser Oberleutnant Erwin Rommel (der spätere „Wüstenfuchs“) durchquerte im Spätherbst 1917 - von Gemona kommend - mit einer ganzen Kompanie diese Wildnis und erreichte von den Italienern unbemerkt am 9. November mit dem slowenischen Schützenregiment „Marburg“ den Piave bei Longarone. Österreich-Ungarn verlor den Krieg trotzdem.

Treppenpfade in Eselsbreite verbinden die alten Wege durch die Wildnis
Treppenpfade in Eselsbreite verbinden die alten Wege durch die Wildnis © KK

Die beiden „Basislager“, Stützpunkte für Entdeckungsreisen in die Wildnis, könnten unterschiedlicher nicht sein. Während in Anduins oder im Nachbarort Vito d'Asio bei den meisten Wanderungen der Blick über die friulanische Ebene gleitet und im Garten der Villa Margherita die Lust auf einen Ausflug nach San Daniele aufkommt, ist San Francesco, im Val d'Arzino, eine Art „Außenposten“ der Zivilisation. Und gleich neben der Kirche betreiben die Brüder Tosoni ein „Bar-Tabacchi-Alimentari-Ristorante-Albergo“. Bei „Da Luigi“ gibt es also nicht nur Zimmer und Appartements, es gibt auch die Tagesverpflegung für die Wanderungen und, nach der Rückkehr, regionale kulinarische Köstlichkeiten.

Schluchten, endlose Macchia und Berggipfel, auf denen man das Gefühl hat, der Erste zu sein, geben sich Mühe, allen, die sich darauf einlassen, einen neuen Blick auf die Welt und das Leben zu ermöglichen. An „Regentagen“ muss es dennoch nicht langweilig werden. Das Castello Ceconi in Vito d'Asio oder die „Grüne Grotte“ von Pradis mit den 207 Stufen in den Untergrund des „Torrente Cosa“ sind allemal einen Ausflug wert. Auch nach San Daniele oder zum Naturschutzgebiet am See von Cornino bei Forgaria ist es nicht weit.

Diese Tipps sind aber wirklich nur für Regentage. Sonst lockt die Wildnis - dieses Gehen am Waldboden oder auf jahrhundertealten, kunstvoll errichteten Eselspfaden und Steigen. Die schönsten von ihnen findet man rund um Anduins.

Blick auf San Francesco, den Hauptort des Val d'Arzino
Blick auf San Francesco, den Hauptort des Val d'Arzino © KK

Bei guter Planung sind allein schon die verlassenen Dörfer nördlich von Vito d'Asio „Zeitreisen“ und Wanderziele. Wie zum Beispiel Pert, Battàias, Fruinz oder Cerdèvol mit null oder zwei Einwohnern. Oder das völlig aufgegebene Palcodà bei Tramonti di Sotto. Man scheint noch die Menschen zu spüren, die hier einmal wohnten. 62 waren es noch in Palcodà vor hundert Jahren. Heute holt sich die Natur Stein für Stein, Gebäude für Gebäude zurück. Selbst der Stausee „Lago di Redona o Tramonti“ hat sein Geheimnis. Immer wieder, bei Niedrigwasser taucht das alte Dorf mitten im See auf.

Zugegeben: Die Wildnis ist nichts für Pauschaltouristen! Dafür braucht man aber auch keinen Eintritt zu bezahlen. Für die Animation aller Muskeln sorgen der Boden und das Gelände und für die Psychotherapie die neuen Bilder, die im Kopf entstehen können. Für den Rest sind die Basislager in Anduins und in San Francesco zuständig.

Mehr zum Thema