Unsere Leserin wohnt in einer Eigentumswohnung in einer Siedlung mit insgesamt 23 Wohneinheiten. „Im März wurden in unserem Haus von der Verwaltung plötzlich drei Videokameras installiert: zwei im Stiegenhaus und eine direkt über der Eingangstür“, schildert die Frau die Situation. Was sie empört: „Wir, die Bewohner, wurden erst im Nachhinein über die Aktion informiert, vorher hat uns keiner gefragt. Begründet wird die Maßnahme damit, dass angeblich bei den Briefkästen uriniert wurde und viel Mist herumliegt. Beides ist für mich nicht nachvollziehbar.“ Auf ihre Beschwerde bei der Hausverwaltung habe man ihr gesagt, ein „Vertrauensmann“ aus der Siedlung habe die Aktion veranlasst. „Als ich daraufhin gemeinsam mit ein paar anderen Bewohnern scharf dagegen protestiert habe, hat man uns versichert, man würde die Überwachungsanlage ausschalten“, sagt die Frau, fügt allerdings hinzu: „Die Kameras sind noch immer da. Muss ich das akzeptieren?“

Wir haben diese Frage an den Grazer Rechtsanwalt Stefan Schoeller weitergegeben. Er sagt: „Auf den ersten Blick scheint der Sachverhalt einfach zu sein, wie so oft im Datenschutzrecht ist die Angelegenheit dann aber juristisch ganz schön knifflig.“

Grundsätzlich sind im konkreten Fall die Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) maßgeblich. Dem Schreiben der Hausverwaltung an unsere Leserin ist zu entnehmen, dass die drei Videokameras so installiert wurden, dass sie allgemeine Teile der Liegenschaft filmen. „Nach herrschendem Meinungsstand handelt es sich bei einer Videoüberwachung auf allgemeinen Teilen der Liegenschaft um eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung im Sinne des WEG“, erklärt der Rechtsexperte. Eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung bedürfe allerdings eines Mehrheitsbeschlusses der Eigentümergemeinschaft, welcher der inhaltlichen Kontrolle durch das zuständige Bezirksgericht unterliegt. Das bedeutet: Überstimmte Miteigentümer, die mit dem Mehrheitsbeschluss nicht einverstanden sind, können sich im Rahmen eines Außerstreitverfahrens an das Gericht wenden. Aber soweit sind wir in diesem Fall ja noch nicht.

Für unsere Leserin gilt, wie Schoeller betont: „Ohne einen Mehrheitsbeschluss darf die Hausverwaltung keine Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung durchführen. Hier hat die Hausverwaltung also pflichtwidrig gegen den Willen der Eigentümergemeinschaft gehandelt.“ In einem solchen Fall hafte die Hausverwaltung gegenüber der Eigentümergemeinschaft nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen. Auch eine Minderung des Entgelts des Verwalters und eine Kündigung aus „wichtigem Grund“ gemäß WEG seien grundsätzlich denkbar. Einfach gesagt: Die Hausverwaltung unserer Leserin muss die Kameras auf eigene Kosten demontieren lassen. Sollte dies nicht innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens geschehen, könnte eine Entgeltminderung wegen grober Pflichtverletzung geltend gemacht und allenfalls der Hausverwaltung (dem Recht entsprechend) gekündigt werden.

Und der Datenschutz?

Aus datenschutzrechtlicher Sicht sagt Schoeller zu dem Fall: „Gemäß Rechtsprechung muss bei einer Videoüberwachung von allgemeinen Teilen eines Mehrparteienhauses ein sogenanntes berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung gegeben ist.“ Da hier offenbar keine Gefährdungslage für die Sicherheit von Eigentum und Personen der Eigentümergemeinschaft besteht, ist laut Schoeller zu bezweifeln, dass hier ein solches berechtigtes Interesse vorliegt. „Und wenn doch, müsste es dafür immer noch einen Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft geben, der auch der gerichtlichen Kontrolle standhält,“ fügt der Jurist hinzu.

Zusätzlich hat unsere Leserin das Recht, konkrete Auskunft über die Datenverarbeitung durch die in der Wohnanlage angebrachten Videokameras zu bekommen. „Sollte sich dabei der Verdacht erhärten, dass tatsächlich personenbezogene Daten von ihr unrechtmäßig verarbeitet wurden, kann Beschwerde bei der Datenschutzbehörde erhoben werden.“ Weiters könnte bei einer unrechtmäßigen Verarbeitung personenbezogener Daten ein ideeller Schadenersatzanspruch gemäß Datenschutz-Grundverordnung geltend gemacht werden - zumindest theoretisch. „Nach herrschender Rechtsprechung ist es nämlich fraglich, ob bereits geringfügige Auswirkungen auf die Gefühlswelt des Geschädigten - wie im Falle ihrer Leserin – für einen solchen Schadenersatzanspruch ausreichend sind,“ meint der Experte.

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