Es entsteht ein ordentliches Türmchen, wenn man die tägliche Zuckermenge, die der Durchschnittsösterreicher isst, in Zuckerwürfeln darstellt: 23 Stück sind es, die sich da vor einem stapeln. Um auf die empfohlene tägliche Zuckermenge zu kommen, müsste man aber 15 davon wieder wegräumen - laut Empfehlung der WHO sollte sich der tägliche Zuckerkonsum auf acht Stück Würfelzucker belaufen. Die Diagnose könnte also lauten: Österreich ist dem Zucker verfallen.

Und das ist wenig verwunderlich, sind wir doch genetisch auf süß geprägt. Süß schmecken zu können, war in unserer Evolutionsgeschichte ein Überlebensvorteil, denn: Süß bedeutet auch ungefährlich. Während bitter ein Signal dafür war, dass ein Nahrungsmittel nicht bekömmlich oder giftig ist, zeigte süß an, dass etwas ohne Bedenken gegessen werden kann.

Süßes Fruchtwasser

Zur genetischen ist aber eine frühkindliche Prägung dazugekommen: Da wir schon über das Fruchtwasser in der Lage sind, süß zu schmecken, kann die Vorliebe für Süßes schon vor der Geburt geformt werden. „Es gilt: Du bist, was Mama isst“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Christine Gelbmann von Styria vitalis.

Sind die Kleinen auf der Welt, tut die Nahrungsmittelindustrie das Ihre, um diese Vorliebe für süß weiter zu forcieren: Lebensmittel wie Limonaden, Milchpuddings oder Pausensnacks, die mit Slogans wie „mit einer Extraportion Milch“ gezielt für Kinder beworben werden, sind laut Untersuchungen von Konsumentenschützern in den meisten Fällen zu süß und kalorienreich.

Doch nicht nur die Industrie spielt bei der Prägung auf süß mit: „Leider werden Süßigkeiten allzu oft als Belohnung in der Erziehung eingesetzt“, sagt Gelbmann. „Wenn du brav bist, gibt's einen Lutscher“: Von solchen Erziehungsmaßnahmen sollte man Abstand halten, denn so verankert sich der Belohnungscharakter im Gehirn. Diese frühkindliche Prägung kann dafür verantwortlich sein, dass auch Erwachsene in Stresssituationen zu Süßem greifen.

Übergewicht, Diabetes

Das Zuviel an Zucker hat fette Folgen: Hoher Zuckerkonsum trägt zur Entstehung der nicht-alkoholischen Fettleber bei. Übergewicht wird gefördert und Zucker ist ebenfalls an der Entstehung des metabolischen Syndroms beteiligt, das die Vorstufe zur Volkskrankheit Diabetes ist. Ist Zucker also das süße Gift, das uns alle krank macht?

„Einen Bestandteil der Ernährung zu verteufeln, wäre zu einfach“, sagt Gelbmann. Denn: Es kommt auf die Gesamtheit der Ernährung an. Dass es aber zunehmend schwerfällt, sich gesund und ausgewogen zu ernähren, liegt am Überfluss, in dem wir leben: „In unserer Wohlstandsgesellschaft sind wir mit einem Überangebot an zu süßen Lebensmitteln konfrontiert“, sagt Gelbmann. Umso mehr sei der Konsument gefordert, zu hinterfragen, was eigentlich in den Produkten steckt.

Versteckter Zucker

Denn in vielen Fällen weiß der Österreicher vielleicht gar nichts über die immensen Mengen Zucker, die er zu sich nimmt. Da das Image des Zuckers in den letzten Jahren gelitten hat, gehen Hersteller dazu über, den Zucker hinter verschiedenen Namen zu verbergen. In Form von Dextrose, Glukose, Invertzucker, Sirupen wie Agavensirup, Saccharose oder Fruktose wird er vielen Lebensmitteln zugesetzt, bei denen man nicht denken würde, dass sie echte Zuckerbomben sind.

Dass Limonaden und Energydrinks reich an Zucker sind, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Doch auch vermeintlich gesunde Produkte, die man so trinkt, können den Zuckerkonsum nach oben treiben. Ein Beispiel sind Smoothies, denen oft Zucker zugesetzt wird oder die mit Fruchtsaftkonzentrat im Geschmack „aufgepeppt“ werden. Daher lohnt sich der Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe. „Je weiter vorne der Zucker in der Zutatenliste steht, desto mehr davon ist im Produkt enthalten“, sagt Gelbmann.

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Müsli und Light-Produkte

Bei „Knuspermüslis“ zum Beispiel steht der Zucker oft schon an zweiter Stelle, auch Müsliriegel sind mit Vorsicht zu genießen. Joghurts, vor allem jene für Kinder, und Milchgetränke können ebenfalls mit hohem Zuckergehalt schockieren.

Vorsicht ist auch bei Light-Produkten geboten: Steht vorne drauf „Nur 0,1 Prozent Fett“, kann sich das in einem umso höheren Zuckergehalt auf der rückseitigen Zutatenliste niederschlagen. Denn: „Der Geschmack muss ja irgendwie in das Produkt kommen“, sagt Gelbmann.