Es ist eine dieser Meldungen, die in dieser Pandemie sehr schwer zu widerlegen sind. Eine Meldung, die immer wieder, in etwas anderer Form, auf Basis anderer Quellen, auftaucht. Und die Meldung geht so: Ivermectin hilft gegen Covid-19. Allen voran Herbert Kickl propagiert den Einsatz dieses Präparats gegen Parasiten. Doch Hersteller wie auch Behörden warnen vor einem Einsatz dieses Medikamentes abseits der eigentlichen Zulassung. "Sie sind kein Pferd. Sie sind keine Kuh", twittert etwa im Spätsommer die US-Arzneimittelbehörde FDA - wir haben hier über die gesundheitlichen Folgen berichtet:

Der heimische Zoll hat seit Jahresanfang bei 428 Aufgriffen 24.169 Stück geschmuggelte Tabletten des Arzneimittels entdeckt. "Bei der Anzahl der dabei beschlagnahmten Ivermectin-Sendungen rangiert Österreich EU-weit auf Platz zwei", hieß es aus dem Finanzministerium. Und immer wieder wurde während der letzten Wochen über Menschen berichtet, die Ivermectin eingenommen hatten und aufgrund dessen im Spital behandelt werden mussten.

Die Fakten: Ivermectin ist auch in der Humanmedizin zugelassen

Nun, was sind die Fakten? Gehen wir diese im Detail durch. Ivermectin ist nicht nur ein reines "Pferdeentwurmungsmittel", es ist auch für die Behandlung in der Humanmedizin zugelassen. Es kann in geringer Dosierung beim Menschen gegen bestimmte Fadenwürmer und Krätzemilben eingesetzt werden. Aber: Gegen Covid-19 ist das Medikament weder zugelassen noch sehen Experten eindeutige Effekte gegen Covid-19. Bei falscher Dosierung kann Ivermectin hochgiftig sein. In unserem Gesundheits-Talk spezial haben wir mit der Allgemeinmedizinerin Reingard Glehr und dem Infektiologen Robert Krause über die Anwendung von Ivermectin gegen Covid-19 gesprochen. Hier können sie das Video nachsehen: 

Das Robert Koch-Institut (RKI) sieht bisher keinen Hinweis auf eine Wirksamkeit von Ivermectin gegen Covid-19 in Bezug auf die Notwendigkeit künstlicher Sauerstoffzufuhr oder die Sterblichkeit nach einer Corona-Infektion. Dazu verweist die deutsche Behörde auf eine übergreifende Analyse von 14 klinischen Studien vom Juli 2021. In dieser schreiben Forscherinnen und Wissenschafter, die von ihnen betrachteten Studien seien klein und nur teilweise von hoher Qualität. "Wir sind unsicher in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit von Ivermectin bei der Behandlung oder Vorbeugung von Covid-19." Insgesamt sprächen die verfügbaren zuverlässigen Erkenntnisse nicht für die Verwendung zur Covid-19-Behandlung oder -Vorbeugung außerhalb gut konzipierter Studien.

Genauso empfiehlt die europäische Arzneimittelagentur EMA eine Ivermectin-Anwendung nur im Rahmen klinischer Untersuchungen. Sie schreibt im März über uneinheitliche Studien-Ergebnisse: Einige hätten keinen Nutzen gezeigt, andere einen möglichen. "Die meisten von der EMA geprüften Studien waren klein und wiesen zusätzliche Einschränkungen auf, darunter unterschiedliche Dosierungen und die Verwendung von Begleitmedikamenten."

Wie es zum Hype um das Präparat kam

Impfgegner sehen in dem Medikament schon länger ein Wundermittel in der Corona-Pandemie. Angefeuert wird der Hype vor allem von unseriösen Seiten im Internet, die zuweilen auf vermeintlich vielversprechende Studienergebnisse im Zusammenhang mit Ivermectin verweisen. Vor allem positive Ergebnisse kleinerer Studien veranlassen Lobbygruppen dazu, den Einsatz als Covid-Medikament zu fordern. Ja: Es stimmt, dass es einzelne Erhebungen gibt, die einen angeblichen Nutzen zeigen. Dabei muss man die einzelnen Untersuchungen aber genauer betrachten.

Zum Beispiel hieß es im Juni etwa von der Universität Oxford, Ivermectin habe in kleinen Laborstudien vielversprechende Ergebnisse erzielt. Eine frühe Verabreichung reduziere die Viruslast und die Dauer der Symptome bei einigen Patienten mit leichter Erkrankung, so die damalige Annahme. Doch seinerzeit wurde bereits eingeschränkt: Da es nur wenige Belege aus kontrollierten Studien gebe, solle Ivermectin in eine groß angelegte Erhebung einbezogen werden, um Aussagekraft zu erhalten.

Bereits im April 2020 wiederum wies eine australische Laborstudie darauf hin, dass Ivermectin in Zellkulturen die SARS-CoV-2-Vermehrung hemmen könnte. Doch Forscher etwa der Donau-Universität im österreichischen Krems ordneten die Ergebnisse ein: "Die dabei verwendete Dosis lag jedoch weit über jener, die für Menschen als unbedenklich gilt."

Gerade wegen solch diffuser Lagen gibt es sogenannte Meta-Analysen, die Einzeluntersuchungen zusammenfassen. Bisher kommt keine dieser zuverlässigen Übersichtsstudien zu der Erkenntnis, dass bei Ivermectin ein Nutzen gegen Covid-19 erkennbar ist. Und darauf beziehen sich die Festlegungen unter anderem von RKI, WHO und EMA.

Angeblich gute Erfahrungen im Ausland?

Häufig verweisen Ivermectin-Anhänger auch auf Länder wie Indien oder Japan, wo das Mittel angeblich geholfen haben soll, die Pandemie einzudämmen. Dabei hat die Regierung in Neu-Delhi schon längst wieder Abstand von dem Medikament genommen, unter anderem wegen des "hohen Risikos der Einseitigkeit in vielen Studien". Auch die Behauptung, Tokio setze mittlerweile anstatt auf die Impfung auf Ivermectin, ist frei erfunden. Auf der Liste der in Japan gegen Corona zugelassenen Arznei taucht das Mittel gar nicht auf. Und der Grund, wieso die Infektionslage zurückgeht ist - die Impfung.

Dieser Twitter-Thread erklärt übrigens sehr klar, wieso Ivermectin in Japan mit dem Rückgang der Covid-Zahlen relativ wenig zu tun hat: 

In Österreich spricht sich sogar der Hersteller MSD (Merck Sharp & Dohme) gegen eine eigenmächtige Einnahme aus: "Es gibt keine aussagekräftige Evidenz für die Anwendung von Ivermectin bei Sars-CoV-2", teilte das Unternehmen jüngst mit.

Wofür Ivermectin eigentlich eingesetzt wird

Bei Tieren wird Ivermectin in Form von Injektionen oder Pasten zur Behandlung bei Parasitenbefall verwendet. Hochkonzentrierte Dosen für große und schwere Lebewesen wie Kühe oder Pferde unterscheiden sich stark von denen, die für Menschen gedacht sind.

Nach Angaben auf dem Beipackzettel kann die Verwendung des Medikaments zu Nebenwirkungen wie Lebererkrankungen, Blut im Urin, Übelkeit, Erbrechen, Zittern, Atembeschwerden, Hodenschmerzen, Gleichgewichtsstörungen oder Krampfanfällen führen. Eine Überdosierung könne zu Koma oder Tod führen, schreiben die Experten der FDA.

Und wer nun noch nicht genug von Ivermectin hat, dem sei der Podcast der Science Cops ans Herz gelegt. Auch sie widmen sich in einer Folge ausgewogen der Studienlage zu diesem Medikament: